Aus dem Protokoll des 55. Kolloquiums über die Anwendung der
Elektronischen Datenverarbeitung in den Geisteswissenschaften
an der Universität Tübingen vom 4. Juli 1992

 

Thomas Kühne, Andreas Gawatz (Tübingen)

Die Tübinger Dokumentation der preußischen Landtagswahlen
im Kaiserreich (1867-1918)

Vorbemerkung

Die Frage nach dem Verhältnis rückständiger und moderner Elemente der politisch-gesellschaftlichen Verfassung des Deutschen Kaiserreichs (1867/71-1918) gehört zu den bevorzugten und besonders kontrovers diskutierten Themenbereichen der neueren Geschichtswissenschaft. Soweit in diesem Zusammenhang politische Wahlen untersucht wurden, beschränkte man sich im wesentlichen auf die Reichstagswahlen, die auf einem allgemeinen, gleichen, direkten und geheimen (Männer)-Wahlrecht basierten. Die Wahlen zu den einzelstaatlichen Landtagen, denen meist wesentlich restriktivere Wahlsysteme zugrundelagen, standen und stehen dagegen auf der Schattenseite des Forschungsinteresses. Im Falle Preußens wiegt dieses Forschungsdefizit besonders schwer, da Preußen rund drei Fünftel der Bevölkerung des Reiches stellte und als Hegemonialstaat die Politik des Reiches infolge vielfältiger Verflechtungen mehr als alle anderen Einzelstaaten prägte. Über die Wahlen zum preußischen Abgeordnetenhaus war bisher nicht viel mehr als sein 1849 eingeführtes und erst 1918 abgeschafftes, die Unterschichten in besonders wirkungsvoller Weise diskriminierendes Dreiklassenwahlrecht bekannt: Es war indirekt, die Urwähler wählten also zuerst Wahlmänner und diese dann die Abgeordneten, und es war öffentlich; in beiden Wahlakten erfolgte die Stimmabgabe mündlich und in Gegenwart der übrigen Wähler. Das Dreiklassensystem teilte die Wählerschaft in drei dem Steueraufkommen nach gleich große Abteilungen ein, die jeweils das gleiche Stimmgewicht hatten. Im Durchschnitt bedeutete dies, daß von 100 Urwählern drei bis vier Höchstbesteuerte in der ersten Klasse dieselbe Zahl von Wahlmännern bestimmten wie etwa elf bis zwölf in der zweiten und 85 Wähler in der dritten Klasse.

Im Rahmen eines von der Deutschen Forschungsgemeinschaft finanzierten, von der Kommission für Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien (Bonn) betreuten und von Bernhard Mann geleiteten Forschungsprojektes wurden an der Universität Tübingen der konkrete Ablauf der Wahlen unter diesem Wahlsystem und seine Auswirkungen auf die politische Kultur des Kaiserreichs, auf Partei- und Wahlkampforganisation erforscht und dabei auch die Wahlergebnisse, die bisher in gedruckter Form überhaupt nicht oder nur an sehr verstreuten Stellen zugänglich waren, zusammengestellt und kommentiert.

Diese Wahldokumentation, die 1993 im Druck erscheint (Thomas Kühne, Handbuch der Wahlen zum preußischen Abgeordnetenhaus 1867-1918), ist nach Wahlkreisen gegliedert. Sie dokumentiert für jeden der über 250 preußischen Landtagswahlkreise die Urwahlen der wilhelminischen Zeit seit 1893 (die Ergebnisse der früheren Wahlen sind nicht überliefert) sowie die Abgeordnetenwahlen, diese sogar nahezu vollständig. Sie bietet darüberhinaus die für das Verständnis dieser Wahlergebnisse erforderlichen Hintergrundinformationen über die infolge des absoluten Mehrheitswahlrechts sehr verbreiteten Wahlabsprachen der verschiedenen Parteien und enthält außerdem Angaben über Berufsstand und Wohnort der Kandidaten und Abgeordneten. Beides war aufgrund persönlichkeitspolitischer Überhänge für das Wahlverhalten mitunter wichtiger als ihre Parteizugehörigkeit.

Im einzelnen bestehen die Wahlkreiskapitel jeweils aus sieben Abschnitten: Der erste informiert über die gesetzliche Abgrenzung des betreffenden Wahlkreises, der zweite über seine Sozial- und Konfessionsstruktur. Der dritte enthält die erwähnten Hintergrundinformationen zur Partei- und Bündniskonstellation. Der vierte Abschnitt ist den Urwahlen, der fünfte den Abgeordnetenwahlen gewidmet. Der sechste enthält ein Kandidatenverzeichnis, und der siebte schließlich weist auf weiterführende Literatur und Quellen hin.

Sämtliche Teile des Handbuches wurden mit Hilfe von TUSTEP erarbeitet und für den Satz aufbereitet. Insbesondere bei der Erfassung und Verarbeitung der statistischen, die Wahldaten betreffenden (und das Kernstück der Dokumentation ausmachenden) Teile sowie bei der Erstellung der Register konnten die Bausteine dieses Programmpakets in vielfältiger Weise eingesetzt werden.

Anwendungsbereiche der EDV - Dateiorganisation

Die Aufgaben, bei denen die EDV bei der Erstellung der Wahldokumentation zum Einsatz kam, lassen sich in drei größere Bereiche einordnen. Der erste Bereich umfaßt die Dateneingabe am Terminal oder über den Scanner. Die Daten mußten dabei schon während der Eingabephase ständig "gepflegt", d.h. kontrolliert, korrigiert und vereinheitlicht werden. Bisweilen war auch eine grundlegende Modifikation der Datenstruktur notwendig. Für den zweiten Anwendungsbereich, die Datenanalyse, wurden Rubriken neu kodiert, Register erstellt und statistische Auswertungen durchgeführt. Den dritten Bereich schließlich stellt die Satzaufbereitung der Daten dar. Die auf einzelne Dateien verteilten Bestandteile der Dokumentation mußten in einen Hauptdatensatz zusammengeführt und für den Satz aufbereitet werden. Das erste dieser Aufgabenfelder war während der gesamten Phase des Projektes ein wichtiger Bestandteil der EDV-Arbeiten, die Bereiche II und III rückten erst in den Vordergrund, als der Datensatz einen gewissen Grad an Vollständigkeit und Konsistenz erreicht hatte.

Die Elemente der nach Wahlkreiskapiteln gegliederten Wahldokumentation sind in jeweils eigenen Dateien abgelegt. Das Kernstück der Dokumentation bildet die Datei der Abgeordnetenwahlen. Sie enthält die Informationen für den fünften und sechsten Block (Abgeordnetenwahlen, Kandidatenverzeichnis) der Wahlkreiskapitel. In ihr sind alle Wahlen bzw. Wahlgänge erfaßt. Es finden sich hier allgemeine Angaben zu den Wahlen wie auch Angaben zu den einzelnen Kandidaten, ihr Name, ihr Beruf, ihre Parteizugehörigkeit etc. Insgesamt besteht die Datei aus rund 200 000 Einzeldaten, die aus einer Vielzahl von Quellen zusammengetragen wurden. Die einzelnen Elemente der verschiedenen Dateien lassen sich über Wahlkreisnummern und gegebenenfalls über Zeitangaben (Legislaturperiode) eindeutig einander zuordnen. Sie enthalten kaum redundante Informationen und basieren auf unterschiedlichen Quellen, so daß jeder Datensatz unabhängig von den anderen aktualisiert werden konnte.

Die Daten wurden durchweg in TUSTEP-Textdateien erfaßt und bearbeitet, da die meisten Anwendungen anspruchsvolle Funktionen aus dem Bereich der Textdatenverarbeitung, wie sie von TUSTEP bereitgestellt werden, erforderten und es so möglich war, nahezu sämtliche Bearbeitungsschritte unter einem einheitlichen Programmsystem durchzuführen.

Die Struktur des Hauptdatensatzes (Abgeordnetenwahldatei)

Die Anordnung der Abgeordnetenwahldatei entsprach nur ungefähr der Form, in der sie in der Dokumentation veröffentlicht werden sollte. Wichtiger war es, daß die Rubriken annäherungsweise in der Abfolge in der Datei standen, in der die Informationen in den Quellen vorlagen. Nur so war es möglich, die erhobenen Angaben ohne zeitaufwendiges Hin- und Herspringen im Editor in die Datei einzugeben. Am sinnvollsten war hier eine Grobgliederung der Daten nach lokalen und zeitlichen Kriterien (Wahlkreise, Legislaturperioden). Das Datenformat stellte einen weiteren wichtigen Punkt dar. Das auf Rubriken aufbauende analytische Datenformat gewährleistet die eindeutige Zuordenbarkeit aller Datenelemente und damit ein Höchstmaß an Flexibilität bei der Umstrukturierung des Datensatzes und der Datenanalyse. Als Rubrikenkennzeichnung dienen eindeutig definierte Kürzel, die durch Sonderzeichen wie Klammeraffe (@) oder Et-Zeichen (&) eingeleitet werden.

Vereinfacht gesagt gibt es drei Textblöcke mit unterschiedlichen Funktionen (siehe die Abbildung am Schluß). Der "Wahlkreisblock" leitet die Angaben zu einem neuen Wahlkreis ein. Er enthält den Namen des Wahlkreises sowie die landrätlichen Kreise, aus denen er besteht, und die Zahl der in dem Wahlkreis zu wählenden Abgeordneten. (Anders als bei den Reichstagswahlen, die nur in Einer-Wahlkreisen abgehalten wurden, kannte das preußische Landtagswahlrecht Wahlkreise mit einem, zwei oder drei Abgeordneten.) Der "Wahlblock" steht vor jeder neuen Wahl. In diesem Block ist unter anderem der genaue Zeitpunkt der Urwahl und der Abgeordnetenwahl angegeben. Daran schließen sich die "Wahlgangsblöcke" an. Jeder "Wahlgangsblock" enthält alle Informationen zu einem Wahlgang. In der ersten Zeile stehen die allgemeinen Angaben: die Zahl der entsprechend der Bevölkerungszahl der Wahlkreise zu wählenden Wahlmänner (&t), die Zahl der tatsächlich gewählten Wahlmänner (&g), die Zahl der in diesem Wahlgang abgegebenen gültigen Stimmen (&a) sowie die Zahl der zersplitterten Stimmen (&z). In den Folgezeilen werden die Kandidaten in abfallender Reihenfolge entsprechend ihrer Stimmenanteile aufgeführt. Für sie wird die Zahl der auf sie gefallenen Stimmen (&s) sowie ihre Parteizugehörigkeit (&p) angegeben. Die dritte Rubrik (&k) enthält Informationen über Parteibündnisse, also darüber, von welcher Partei (außer seiner eigenen) der Kandidat in welcher Form bzw. unter welchen Modalitäten Unterstützung bekommen hat. Diese Angaben wurden typologisch kodiert. Die Namensbestandteile erstrecken sich auf die Rubriken akademischer Titel (&nt), Vorname (&nv), Adelsprädikat (&np), Name (&na), Wohnortszusatz (&nw) und Zuordnungsnummer (&nr). Der Wohnortszusatz dient dazu, Kandidaten mit gleichlautenden Nachnamen eindeutig zu identifizieren. Die Zuordnungsnummer verweist auf biographische Sammelwerke oder dient zur internen Identifikation der Kandidaten. Die beiden letzten Rubriken enthalten Angaben zu Beruf (&b) und Wohnort (&w). Die verschiedenen Kandidaten sind durch Indices voneinander unterschieden. Der erste Kandidat hat den Index 1 (&s1, &p1 ...), der zweite den Index 2 (&s2, &p2 ...) etc.

In den meisten Wahlkreisen waren mehrere Mandate zu besetzen und somit mehrere Einzelwahlen durchzuführen. Zudem konnte auch oft keiner der Kandidaten im ersten Wahlgang die für das Mandat erforderliche absolute Mehrheit erreichen, so daß ein weiterer, sogenannter "Engerer Wahlgang" erforderlich wurde. Die Unterscheidung der Wahlgänge nach Mandaten und Stichwahlen ist mittels der Anfangskennung des "Wahlgangsblockes" möglich. Angeführt von einem Klammeraffen (@) folgt auf eine dreistellige Wahlkreisnummer, durch einen Schrägstrich getrennt, zweistellig die Legislaturperiode. Die nächste Ziffer nach dem Stern ist für Ersatzwahlen reserviert. Auf sie folgt die Ordnungsnummer des zu besetzenden Mandats. Die einzelnen Wahlgänge werden durch eine Ziffer hinter dem Plus-Zeichen hochgezählt. Eine 0 bedeutet, daß das Mandat schon im ersten Wahlgang gewonnen wurde. Diejenigen Elemente dieser Kennung, die für die hierarchisch höher stehenden Informationsblöcke relevant sind, finden sich in den "Wahlkreis-" und "Wahlblöcken" wieder. Die Kodierung war so angelegt, daß die Blöcke nur nach diesen Kennungen sortiert werden mußten, wollte man die Daten in der gewünschten Reihenfolge in lokaler und chronologischer Hinsicht erhalten. Die Datenstruktur war somit für unsere spezifischen Anforderungen "maßgeschneidert". Die Rubrikeneinteilung erwies sich in der täglichen Arbeit als genügend differenziert und dennoch robust.

Datenpflege, Umstrukturierung des Datensatzes

Die Datenpflege war neben der Dateneingabe eine wichtige Tätigkeit bei der Erstellung der Dokumentation. So wurde besonders die Datei der Abgeordnetenwahlen immer wieder auf Fehler durchgesehen. Die Datensätze wurden in Prüfläufen auf zulässige Rubrikkennungen und ihre Reihenfolge überprüft, Schreibungen mit Hilfe von Registern vereinheitlicht und Plausibilitätskontrollen für die numerischen Werte durchgeführt. Ein besonderes Problem war die Inhomogenität der Abgeordnetenwahldaten, die ihre Ursache in der Verschiedenartigkeit der sukzessiv eingearbeiteten Quellenangaben hatte. So lagen für Kandidaten, die in mehreren Wahlkreisen kandidierten, nach den verschiedenen Pressemitteilungen teils widersprüchliche, teils komplementäre Angaben vor. Es galt, die Daten insgesamt durchzusehen und die Angaben zu vereinheitlichen.

Dafür mußten die Informationen der Abgeordnetenwahldatei so umsortiert werden, daß die Angaben zu ein und demselben Kandidaten hintereinanderstanden und chronologisch geordnet waren. Für die weitere Verarbeitung war es natürlich notwendig, daß nach den Korrekturen die ursprüngliche Struktur der Daten wieder hergestellt werden konnte. Aufgrund des hierarchischen Datenbankformats mußten zunächst die nicht benötigten Teile wie "Wahlkreisblock", "Wahlblock" und die erste Zeile des "Wahlgangsblockes", also all diejenigen Daten, die globale Angaben zu den Wahlen bzw. Wahlgängen enthalten, in eine eigene Datei ausgelagert werden. Gleichzeitig mußten aber die Informationen, die die Zuordnung der einzelnen Kandidaturen zu den jeweiligen Wahlgängen gewährleisten sollten, jedem Personeneintrag vorangestellt werden. Nachdem so jeder Personeneintrag eindeutig identifiziert war, konnte die Datei nach den gewünschten Kriterien sortiert und die Daten in ihrer neuen Anordnung vereinheitlicht werden. Die Rückführung der Daten in ihre ursprüngliche Form geschah auf umgekehrtem Wege: Die Personeneinträge und die globalen Angaben wurden wieder zusammengeführt und nach den Wahlkreiskennungen sortiert, so daß die Daten wieder in ihrer alten Anordnung, nun aber vereinheitlicht, in der Datei standen.

Statistische Auswertungen

Häufigkeitsauszählungen und Prozentrechnungen lassen sich, wenn auch mitunter etwas umständlich, mit TUSTEP durchführen, nicht jedoch weitergehende statistische Berechnungen. Für eine Analyse der Datensätze mittels Korrelations- und multipler Regressionsrechnungen wurde TUSTEP deshalb mit der PC-Version von SPSS kombiniert. In TUSTEP mußten dafür zunächst die benötigten Daten aus den verschiedenen Dateien extrahiert und mittels der Wahlkreiskennungen zu einheitlichen Fällen auf Wahlkreisebene zusammengefaßt werden. Nachdem die Datenstruktur mit Hilfe der Parameter zf/zfh/zfm des #KOPIERE-Kommandos auf Richtigkeit und Vollständigkeit überprüft worden waren, konnten die Rubrikkennungen getilgt werden, und es standen nur noch Zahlenwerte in der Datei. Mit dem Kommando #UMWANDLE wurde dann der Datensatz von dem TUSTEP-internen Format in eine SDF-Datei (System-Data-Format) umgewandelt. Dieser ASCII-File konnte daraufhin bequem mit einem einfachen DATA-LIST-Befehl im freien Einleseformat in SPSS eingelesen und die gewünschten Berechnungen durchgeführt werden. Die Kombination von TUSTEP und SPSS gestaltete sich in der Projektarbeit als sehr fruchtbar und unkompliziert: TUSTEP verfügt über die notwendigen Kontrollfunktionen und Schnittstellen, so daß ein Datensatz mit wenig Aufwand so aufbereitet werden kann, daß die Übernahme in SPSS keinerlei Schwierigkeiten bereitet.

Register

Einen wichtigen Bestandteil der Dokumentation stellen die Register dar, die aus der Abgeordnetenwahldatei erstellt wurden. Dabei sind nicht nur einfache Verweislisten zu verstehen, sondern vor allem Übersichten, in denen das Datenmaterial unter neuen Gesichtspunkten präsentiert wird, aber auch Informationen verdichtet und verstreute Angaben zusammengefaßt werden.

Für jeden Kandidaten wurde aus den Daten der Abgeordnetenwahldatei ein "Lebenslauf" erstellt, der die einzelnen Berufs- und Wohnortsangaben, die für die jeweilige Person vorliegen, chronologisch zusammenfaßt. Zudem wurden zu jedem Personeneintrag sämtliche Kandidaturen aufgelistet, so daß aus der Übersicht deutlich wird, in welcher Wahl, in welchem Wahlkreis, für welche Partei die Person kandidierte und ob sie gewählt wurde oder nicht. Für dieses Personenregister war es notwendig, die Daten so vorzubereiten, daß alle Personeneinträge einzeln in einem Satz mit sämtlichen für das Register benötigten Informationen standen. Es sind dies Name, Beruf, Wohnort, Parteibezeichnung, Wahlkreis, Legislaturperiode und Erfolg der Kandidatur. Fast alle Angaben lagen in der Form, wie sie für das Register benötigt wurden, schon in der Abgeordnetenwahldatei vor, wenn auch an verstreuten Stellen. Lediglich der Erfolg der Kandidatur mußte aus der Umgebung der Daten geschlossen werden. Für diesen Zweck galt es zunächst, vorläufige und endgültige Wahlgänge voneinander zu unterscheiden. Dies erreichte man durch ein sukzessives Vergleichen der Anfangskennungen der "Wahlgangsblöcke": Ein Wahlgang ist dann ein vorläufiger, wenn ihm ein Wahlgang folgt, der in demselben Wahlkreis, in derselben Legislaturperiode und um dasselbe Mandat durchgeführt wurde. Ist dies nicht der Fall, so handelt es sich um einen endgültigen Wahlgang. Das Programm kennzeichnete nach diesem Muster jeden Wahlgang, so daß die Information explizit in jedem "Wahlgangsblock" vorlag. Die Markierung der Wahlsieger und Verlierer ergab sich dann von selbst: Alle Kandidaturen in vorläufigen Wahlgängen sind vorläufige Kandidaturen. Der an erster Stelle stehende Kandidat eines endgültigen Wahlgangs (es ist der Kandidat mit den meisten Stimmen) gewinnt das Mandat, alle anderen sind definitive Verlierer der Wahl. Nachdem alle Angaben durch das Programm eindeutig kodiert waren, konnten die Personeneinträge vereinzelt und mit allen notwendigen Informationen versehen werden. Es war nun möglich, das Personenregister aus dieser Zwischendatei zu erstellen.

Als erster Schritt der Registererstellung mußten die Registereinträge mit dem Programm #RVORBEREITE (Register-Vorbereite) aus dem vorbereiteten Quelltext herausgezogen und für die Sortierung vorbereitet werden. Es war dabei wichtig, daß die Daten schon in der gewünschten Reihenfolge hierarchisch nach Haupteintrag und Untereinträgen geordnet standen. In einem ersten Register-Vorbereite wurden daher für den "Lebenslaufblock" die Angaben: Name, Blockkennung ("Lebenslauf"), Beruf, Wohnort und Legislaturperiode herausgezogen. In einem zweiten Register-Vorbereite kamen zu diesen Daten die Registereinträge für den "Kandidaturenblock". Es sind dies: Name, Blockkennung ("Kandidatur"), Legislaturperiode, Partei, Wahlkreis, Erfolg (Wahlsieger, Wahlverlierer, vorläufige Kandidatur).

Der zweite Bearbeitungsschritt bestand darin, die extrahierten Daten zu sortieren. Dabei waren für alle Sätze der Name und die Blockkennung das erste Sortierkriterium. Die Einträge für den "Lebenslaufblock" wurden darüber hinaus nach Legislaturperioden chronologisch geordnet, die Einträge für den "Kandidaturenblock" ebenfalls nach Legislaturperioden sowie nach Partei und Wahlkreis.

In einem dritten Schritt wurden dann die Daten mit Hilfe des TUSTEP-Programms #RAUFBEREITE (Register-Aufbereite) zu Registereinträgen, hierarchisch gegliedert in Haupt- und Untereinträge, zusammengefaßt. Dafür mußten dem Programm die Rubrikkennungen für die einzelnen Registereinträge angegeben werden. Beim Personenregister bildet den Haupteintrag selbstverständlich der Name des Kandidaten. Der erste Untereintrag ist für die Blockkennung ("Lebenslaufblock", "Kandidaturenblock") reserviert. Für den "Lebenslaufblock" ist der zweite Untereintrag der Beruf und Wohnort des Kandidaten, der dritte die Legislaturperiode. Im "Kandidaturenblock" ist der zweite Untereintrag die Legislaturperiode. Die Kandidaturen werden dann weiter nach Parteibezeichnungen (dritter Untereintrag), Wahlkreisen (vierter Untereintrag) und Erfolg der Kandidatur (fünfter Untereintrag) differenziert. Das Programm faßt identische Angaben in den sortierten Daten zusammen und gibt nur die Daten als neue Registereinträge aus, die sich von den vorangehenden Daten unterscheiden. Bleiben beispielsweise im "Lebenslaufblock" Beruf und Wohnort eines Kandidaten gleich, so werden sie nur einmal aufgeführt und auf diesen Eintrag folgt eine Liste der Legislaturperioden, für die diese Berufs- und Wohnortskombination im Quelltext nachgewiesen ist. Ändern sich Beruf oder Wohnort, wird die neue Kombination als neuer Untereintrag mit Angabe der betreffenden Legislaturperioden ausgegeben. Das so mit #RAUFBEREITE erstellte "Roh-Register" bedurfte nur noch weniger kosmetischer Korrekturen, mit denen die Informationen noch weiter verdichtet und interne Kennungen gegen leicht verständliche Angaben ausgetauscht (z.B. Legislaturperioden gegen Jahreszahlen) wurden.

In ähnlicher Weise wurden die Personenregister auf Wahlkreisebene erstellt. Sie geben nur Beruf und Wohnort der Kandidaten an, wie sie sich aus den Daten des betreffenden Wahlkreises erschließen (Block 6 der Wahlkreiskapitel). Weitere Bestandteile der Dokumentation sind ein Wohnortsregister, das auf die laufende Nummer der Kandidaten bzw. auf die Wahlkreise, in denen sie zur Wahl standen, verweist, sowie ein Parteiregister, das für jede Partei die erfolgreichen und erfolglosen Kandidaturen auflistet.

Satzaufbereitung

Der letzte Schritt in der ganzen Reihe von EDV-Arbeiten war die Aufbereitung der Daten zum Satz. Sämtliche Dateien der Wahldokumentation wurden einzeln für den Satz vorbereitet. Das analytische Datenformat machte es möglich, die Rubrikkennungen gegen Satzsteuerzeichen, aber auch gegen Zusätze wie Kopftexte oder Überschriften auszutauschen. Bei den Wahlkreiskapiteln war es dann notwendig, die einzelnen Bestandteile, die auf insgesamt sieben Dateien, entsprechend der Informationsblöcke, verteilt sind, zusammenzuführen. Nun hätte man diese Dateien in eine große Datei zusammenkopieren und die einzelnen Elemente nach Wahlkreisnummern sortieren können. Diese Idee wurde jedoch schnell verworfen, da bei einigen Wahlkreisen, die im Lauf des Darstellungszeitraums geteilt wurden, eine Sonderbehandlung erforderlich war und auch bezüglich der letztendlichen Anordnung der einzelnen Teile bis zum Schluß größtmögliche Flexibilität wünschenswert war. Hierzu war ein anderes Verfahren erforderlich. Es basiert auf einer Strukturdatei, in der jedes Element der Wahldokumentation mit einer eindeutigen Identifikationsnummer aufgeführt ist, die der Wahlkreiskennung in der jeweiligen Datei entspricht. Für die Sonderfälle konnten die Kennungen einfach umgestellt und auch Zusätze eingefügt werden. Mit Hilfe des TUSTEP-Programms #EINFUEGE konnten diese Kennungen durch die entsprechenden Abschnitte der satzaufbereiteten Daten ersetzt werden. Die satzaufbereiteten Daten der Wahlkreiskapitel standen so in kurzer Zeit in der gewünschten Reihenfolge und mußten nur noch mit den anderen Textteilen (Register und Einleitung) zusammenkopiert werden.

Schluß

Bei der Erstellung der Wahldokumentation kam die EDV in großem Maße und in den verschiedensten Bereichen zum Einsatz. Wichtiger Grundsatz bei der Arbeit mit TUSTEP war, die Programme zur Registererstellung, zum Zusammenfügen der Einzeldateien und zur Satzaufbereitung so anzulegen, daß ihre Zieldateien keiner manueller Korrekturen mehr bedurften. So konnten die Daten bis zuletzt in den Ausgangsdateien korrigiert werden. Ein umständliches Nachtragen der Änderungen in die verschiedenen Zieldateien, vor allem in die Register erübrigte sich so, und die Ausgangsdateien sind in ihrer analytischen Form die aktuellsten und somit maßgebenden Dateien, auf die in weiteren Untersuchungen zurückgegriffen werden kann. Die Programme wie auch die Struktur der Daten wurden in dieser Hinsicht konsequent gestaltet, so daß nach der letzten Korrektur in wenigen Stunden die komplett satzaufbereitete Wahldokumentation mit Registern aus den Ausgangsdateien erstellt werden kann.

Mit TUSTEP stand uns ein Programmsystem zur Verfügung, mit dem fast sämtliche Anwendungsbereiche abgedeckt werden konnten. Es fehlten lediglich für unseren Zweck ausreichende Funktionen im numerischen Bereich, und es ist zu überlegen, ob es nicht sinnvoller gewesen wäre, für die Verarbeitung von Statistiken andere Programmsysteme in größerem Umfang einzusetzen.


aus: Protokoll des 55. Kolloquiums über die Anwendung der EDV in den Geisteswissenschaften am 4. Juli 1992