Aus dem Protokoll des 72. Kolloquiums über die Anwendung der
Elektronischen Datenverarbeitung in den Geisteswissenschaften
an der Universität Tübingen vom 7. Februar 1998

Irmela Bauer, Volker Schäfer, Michael Wischnath (Tübingen):

Vom Repertorium zum Internet. 25 Jahre EDV im Universitätsarchiv

 

Volker Schäfer:

25 Jahre EDV im Universitätsarchiv Tübingen

Das personell in letzter Zeit auf dreieinhalb Planstellen und rund 100 Monatsstunden für Hilfskräfte zusammengeschrumpfte Tübinger Universitätsarchiv, das seit 1995 eine Homepage besitzt und am 15. Juli 1997 als eines der ersten Archive in der Bundesrepublik seine Beständeübersicht ins Internet stellte, verfügt derzeit noch über einen nicht ganz unansehnlichen Gerätepool von zehn, teilweise untereinander vernetzten PCs, von denen allerdings vier eine geringe Arbeitsspeicherkapazität aufweisen und sieben noch unter dem Betriebssystem MS-DOS arbeiten. Ein vorsintflutliches Terminal stammt sogar noch aus den frühen 1980er Jahren, als die TR 440 ausgemustert und der Datenbestand auf den UNIVAC-Rechner überführt wurde.

Um so bemerkenswerter erscheint die Pionierrolle, die dem Universitätsarchiv auf dem Gebiet "EDV und Archiv" nachgesagt wird. Doch beschränkte sich der Anteil des Referenten daran nach eigenen Angaben auf einige frühzeitige zentrale Weichenstellungen, während das Hauptverdienst seinen Mitarbeitern gebührt, namentlich Günther Hell (im Archiv tätig von 1979 bis 1981), Christoph Härtel (1986-1988) und Herbert Steinhart (1991-1997) sowie seit einigen Jahren insbesondere Irmela Bauer-Klöden, nicht zu vergessen auch die Studentischen Hilfskräfte, denen vor allem die Datenerfassung obliegt, weshalb TUSTEP-Kenntnisse seit langem quasi zu den Voraussetzungen für eine Anstellung im Universitätsarchiv gehören.

Eine neue Qualität hat der Einsatz der Datenverarbeitung im Tübinger Universitätsarchiv vor zehn Jahren mit dem Dienstantritt von Dr. Johannes Michael Wischnath gewonnen, zunächst Stellvertreter und inzwischen Nachfolger des Referenten als Archivleiter. Er widmete sich von Anfang an mit Nachdruck den archivischen Erschließungsarbeiten und entdeckte schnell die Vorteile, welche das Medium EDV dabei bietet. Auf seine Vorstellungen und Vorgaben geht insbesondere das Repertorisierungsprojekt ARTUS zurück.

Der zweite Bereich, in dem neben der Beständeerschließung maschinelle Textverarbeitung im Universitätsarchiv Tübingen stattfindet, ist die Herstellung der Veröffentlichungen des Universitätsarchivs unter Anwendung des TUSTEP-Satzprogramms. Dagegen fällt der dritte Applikationsschwerpunkt, der EDV-Einsatz zu archivinternen Verwaltungszwecken, noch nicht ins Gewicht. Er besteht bisher lediglich aus kleinen Hilfsmitteln: dem Aktenplan, dem Geschäftstagebuch sowie der - haushaltsrechtlich irrelevanten, aber nützlichen - Bilanzbuchhaltung für die Archivpublikationen. Die ins Auge gefaßte EDV-gestützte Ausleihverbuchung vor allem der in einem sog. Zwischenarchiv verwalteten, noch nicht archivreifen Personalakten mit einer automatisierten Fristenüberwachung ist bisher über erste Anfänge nicht hinausgekommen. Daß übrigens der Computer natürlich schon längst auch als Schreibsystem unentbehrlich geworden ist, kann bei dem notorischen Mangel an Schreibkraftstellen im Tübinger Universitätsarchiv nicht überraschen.

Im weiteren Verlauf demonstrierte der Referent per Folien mit FORMED das früheste Tübinger Beispiel eines archivischen Erschließungsprojekts, das 1972 erstellte bestands-übergreifende Repertorium über die Forensischen Gutachten der Tübinger Medizinischen Fakultät zwischen 1611 und 1915, zu dem die Daten schon nicht mehr per Lochkarten, sondern auf dem bereits fortschrittlicheren Lochstreifen erfaßt worden waren und dessen Regestenelemente ein ausgeklügeltes Codierungssystem für die vier Indices unterein- ander verknüpfte. Anschließend illustrierten Dokumente aus der Registratur des Universitätsarchivs den EDV-Alltag seit dem ersten Kontakt zum Rechenzentrum am 3. Mai 1972. Dabei kamen archaische Verhältnisse zum Vorschein, als zum Beispiel ein Datensicht- gerät mit allem Drum und Dran noch astronomische 19.602,24 DM kostete (1979) oder OCR-Texte mangels entsprechender Geräteausstattung vor Ort noch an der Universität Ulm eingelesen werden mußten (1984).

Mit dem Dank an das Tübinger ZDV, insbesondere an Prof. Ott und dessen TUSTEP-Abteilung für eine stets unverdrossene Beratung und Unterstützung in 25 Jahren, schloß der Referent und hüllte mit dem Abschalten des Overheadprojektors das Universitätsarchiv Tübingen wieder in das für ein effizientes Arbeiten unerläßliche Dunkel.

 

Irmela Bauer, Michael Wischnath:

Vom Findbuch zum Internet.
Das Repertorisierungsprojekt ARTUS am Universitätsarchiv Tübingen

Das "Tübinger System von Textverarbeitungs-Programmen" (TUSTEP) der Abteilung Literarische und Dokumentarische Datenverarbeitung des Zentrums für Datenverarbeitung der Universität Tübingen wird vom Universitätsarchiv seit Mitte der siebziger Jahre bei der Bestandserschließung, bei Publikationen sowie für Verwaltungszwecke genutzt. Im folgenden soll die aktuelle Konzeption des TUSTEP-Einsatzes bei der Repertorisierung und der Publizierung von Findmitteln im Internet skizziert werden.

I. Projektziel

Nachdem sich der EDV-Einsatz zunächst auf einzelne Modellprojekte beschränkt hatte, ging das Archiv 1988 dazu über, die TUSTEP-gestützte Erschließung zu standardisieren. Konventionelle Findmittel werden seither grundsätzlich nicht mehr neu angelegt, die vorhandenen schrittweise konvertiert. Als Projektbezeichnung wurde das Akronym ARTUS gewählt: Archivierung und Recherche mit TUSTEP.

Die Erschließung erfolgt im Universitätsarchiv grundsätzlich provenienz- und bestandsbezogen. Zusätzlich zu den "Bestandsrepertorien" ist deshalb als zentrales Recherche-Instrument eine "Beständeübersicht" erforderlich, die den gesamten Inhalt des Archivs systematisch nach Provenienzen in komprimierter Form beschreibt und die jeweils vorhandenen Findmittel nachweist. Mit der Erarbeitung einer solchen Beständeübersicht wurde ebenfalls im Jahr 1988 begonnen und zwar auf der Grundlage des von Volker Schäfer bereits 1972 und 1975 publizierten "Provenienzenverzeichnisses des Universitätsarchivs Tübingen".

Zunächst war beabsichtigt, ausgewählte Bestandsrepertorien und die Beständeübersicht im Druck zu veröffentlichen. Nachdem bis 1993 zwei Repertorien in der Schriftenreihe des Archivs erscheinen konnten, wurde die neue Beständeübersicht im Juli 1997 jedoch stattdessen im Internet zugänglich gemacht: http://www.uni-tuebingen.de/UAT/ . Geeignete Bestandsrepertorien sollen möglichst bald folgen.

Für den Entschluß, die bisherige Konzeption zu ändern und das neue Medium zu nutzen, waren vor allem folgende Gründe ausschlaggebend: Seit ein wesentlicher Teil der älteren und sämtliche neu angelegten Repertorien in Dateiform zur Verfügung stehen, dominiert archivintern die EDV-Recherche. Das Bedürfnis, "klassische" Repertorien mit Konkordanzen und Registern zur Verfügung zu haben, hat damit an Dringlichkeit verloren. Zum anderen entspricht es der Notwendigkeit, die archivische Erschließungstätigkeit als arbeitsteiligen, kontinuierlichen Prozeß so zu organisieren, daß ihre Ergebnisse - auch Zwischenergebnisse - der Öffentlichkeit mit geringem Mehraufwand möglichst zeitnah zur Verfügung gestellt und aktuell gehalten werden können.

II. Bestandsrepertorien

Bei der Repertorisierung mit TUSTEP verwendet das Universitätsarchiv ein System einfacher Auszeichnungen, wobei Datensätze für die strukturierenden (Überschriften verschiedener Stufen) und für die inhaltlichen Elemente (Einleitungstext etc., Einzel-Titelaufnahmen) des Repertoriums unterschieden werden. Die vorgesehenen Kennungen werden direkt eingegeben. Auf eine Eingabemaske, unter TUSTEP an sich möglich, wurde verzichtet.

Datensatz "Überschrift" (vereinfacht)
#n Überschrift der Stufe n
#k Klassifikation

Datensatz "Titelaufnahme" (vereinfacht)
#x Laufende Nummer
#s Signatur
#t Titel
#u Umfang
#l Laufzeit
#a Alte Signatur
#k Klassifikation

Die erforderlichen Makros wurden 1988 innerhalb weniger Wochen von einer studentischen Hilfskraft geschrieben und sind mit kleinen Modifikationen und Korrekturen bis heute in Gebrauch.

ARTUS-Makros (in Auswahl)

Bis heute wurden im Universitätsarchiv rund 170 Repertorien-Dateien im "ARTUS-Format" angelegt. Das entspricht der knappen Hälfte der vorhandenen, noch aktuellen Repertorien. Diese Dateien sind einheitlich strukturiert, und die ausgedruckten Ergebnisse weisen ein einheitliches Erscheinungsbild auf. Sie repräsentieren jedoch unterschiedliche Erschließungsstufen und -qualitäten, vom Übergabeverzeichnis im Sinne einer Basiserschließung bis zum sorgfältig erarbeiteten Repertorium.

III. Beständeübersicht

Die Daten für die Beständeübersicht sind in systematischer Anordnung in einer Datei enthalten, die grundsätzlich wie die Repertorien-Dateien strukturiert ist. Sie enthält nicht nur die zur Veröffentlichung bestimmten, sondern darüber hinaus zahlreiche weitere, interne Angaben. Vorgesehen sind bis zu drei Gliederungsstufen, auf der dritten oder vierten Stufe folgen die Bestandsbeschreibungen.

Datensatz "Überschrift" (vereinfacht)
#n Überschrift der Stufe n

Datensatz "Bestandsbeschreibung" (vereinfacht)
#1 Auswahlparameter
#2 Datum der letzten Aktualisierung
#3 Signatur
#4 Provenienz
#5 Bestandsbezeichnung
#6 Benutzungsbedingungen
#8 Zugangsjahr(e)
#9 Umfang
#14 Findmittel (Band-, Kartei-, Datei-Repertorium)
#15 Inhalt
#16 Historische oder biographische Angaben
#17 Bestandsgeschichte
#19 Bemerkungen und Verweise

Die Bestände-Datei wird ständig fortgeschrieben, so daß die Daten immer auf dem letzten Stand am Arbeitsplatz für Recherchen und Auskünfte genutzt werden können. Sie bildet nicht nur die Grundlage für die Internet-Version der Beständeübersicht, sondern auch für eine parallel dazu in einigen wenigen Exemplaren mit dem TUSTEP-Satzprogramm erzeugte, inhaltlich identische Druckfassung. Diese steht zum einem im Findmittelraum des Archivs als Hilfsmittel zur Verfügung, zum andern dokumentiert sie den bei der letzten Aktualisierung erreichten Arbeitsstand.

IV. Internet-Präsentation

Die Nutzung des Internet für die Publikation zunächst der Beständeübersicht und später auch von Bestandsrepertorien war für das Unversitätsarchiv mit seiner beschränkten Personalkapazität nur unter der Voraussetzung attraktiv, daß sich dafür ein einfach zu handhabender TUSTEP-Programmablauf entwickeln ließ, der Aktualisierungen ohne großen Aufwand auch "auf Knopfdruck" zuläßt.

Die Internet-Präsentation soll bewußt nicht mehr sein als der Ersatz für eine konventionelle Druckpublikation. Deren Schriftbild wurde die Bildschirmdarstellung deshalb auch so weit als möglich angenähert. Auf Graphik und Bilder wurde dabei mit Rücksicht auf die Übertragungsgeschwindigkeit weitgehend verzichtet. Im übrigen entsprechen Layout und Farbgestaltung dem "Uni-Informationssystem", damit die Nutzer, die von dort auf Seiten des Universitätsarchivs gelangen, keinen optischen Bruch empfinden.

Es war rasch deutlich, daß der Datenbestand in die kleinstmöglichen Einheiten zerlegt werden muß, um die Wartezeiten beim Aufruf der Dateien kurz zu halten. Vorwort, Einleitung, die einzelnen Bestandsbeschreibungen sowie der Anhang stehen deshalb jeweils in einer eigenen Datei.

Für das Inhaltsverzeichnis wurde im Hinblick auf Übersichtlichkeit und leichte Benutzbarkeit folgender Aufbau gewählt:

Zwischen diesen Verzeichnissen sind Sprünge von einem Eintrag zum korrespondierenden Eintrag im nächsten Verzeichnis ebenso möglich wie zurück ins übergeordnete Verzeichnis. In Kauf genommen wurde dabei, daß die Dateien etwas größer sind als zunächst geplant.

Bei der Recherche stellt sich dies folgendermaßen dar: Den Nutzern, die von der Eingangsseite (Homepage) die Beständeübersicht anwählen, wird eine Liste der Hauptgruppen angeboten. Von dort ist der Sprung in das Verzeichnis 2 möglich, wo sich zu der gewählten Hauptgruppe auch die Gruppen-Überschriften finden. Je nach Tiefengliederung der entsprechenden Hauptgruppe ist von dort der Sprung in das Verzeichnis 3 mit den Überschriften der Untergruppen oder direkt in das Verzeichnis 4 mit den Bestandsbezeichnungen, von dort wiederum in eine Bestandsbeschreibung möglich. Am Ende einer jeden Bestandsbeschreibung wird dann wahlweise der Sprung an den Anfang der aktuellen, zur vorhergehenden oder der nächstfolgenden Bestandsbeschreibung oder zurück zum Verzeichnis der Hauptgruppen angeboten.

Neben dieser an der Sachgliederung der Beständeübersicht orientierten Vorgehensweise sind auch Volltextrecherchen über sämtliche Internetseiten des Archivs möglich.

V. Programm

Die Aufbereitung der Daten geschieht in drei Schritten: Zunächst werden die zur Publikation bestimmten Daten, etwa die Hälfte des gesamten Datenbestandes, mit einem TUSTEP-KOPIERE aus der Bestände-Datei ausgewählt. Für die Auswahl sind Parameter maßgeblich, die im Kopf der Bestandsbeschreibungen angegeben sind.

Der eigentlichen Datenaufbereitung "auf Knopfdruck" dient ein TUSTEP-Makro, mit dem die Quelldatei von ca. 12.700 Sätzen in folgenden Programmabschnitten bearbeitet wird:

  1. Nach einem vorbereitenden KOPIERE werden die Überschriften der Ebenen 1 bis 3 und die Bestandsbeschreibungen (Ebene 4) jeweils getrennt durchnumeriert. Diese individuelle Kennung der Strukturelemente ermöglicht im weiteren Programmablauf die Eintragung der Links und der für die Darstellung notwendigen HTML-Kodierungen.
  2. Die laufende Nummer der letzten Beständebeschreibung wird auf einer Variablen gespeichert.
  3. Mit einem weiteren KOPIERE wird eine Datei erzeugt, die lediglich die numerierten Überschriften und die numerierten Bestandsbezeichnungen enthält.
  4. Aus dieser neuen Datei werden wiederum mit KOPIERE die vier oben beschriebenen Inhaltsverzeichnisse erstellt. Dabei werden der jeweiligen Kennnung entsprechend die Links erzeugt und weitere HTML-Auszeichnungen eingefügt.
  5. Sodann wird aus dem Verzeichnis 4 eine nach Bestandssignaturen geordnete Beständeliste erzeugt, die den Anhang der Beständeübersicht bildet (80 KB).
  6. Den Abschluß des Makros bildet eine Programmschleife, mit deren Hilfe für jede Beschreibung eines Bestandes eine eigene Datei kreiert wird. Die im ersten Programmabschnitt erzeugten laufenden Nummern steuern dabei die Auswahl der Beschreibungen und dienen zugleich als Dateinamensteil. Sie ermöglichen die fehlerlose Verknüpfung mit den Inhaltsverzeichnissen wie mit der Beständeliste (Anhang). Der zu Beginn auf einer Variablen gespeicherte Wert steuert dann den Sprung aus der Schleife und beendet den Programmablauf.

Es bleibt ein dritter Arbeitsschritt: Die vom Programm erzeugten und im Programmablauf in das HTML-Dateiformat umgewandelten Dateien müssen auf den Server des Zentrums für Datenverarbeitung überspielt werden.


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