Aus dem Protokoll des
84. Kolloquiums
über die Anwendung der
Elektronischen Datenverarbeitung in den Geisteswissenschaften
an der Universität Tübingen vom 2. Februar 2002
Ulrich Köpf, Reinhold Rieger (Tübingen)
Das Luther-Register. Vom Zettelkasten zum elektronischen Satz
Die letzte Aufgabe der Kritischen Ausgabe der Werke Martin Luthers
(Weimarer Ausgabe = WA) erwies sich als eine der schwierigsten und
aufwendigsten: die Erstellung von Registern zur Abteilung "Schriften".
1948 erschienen in WA58I Teile des von Georg Buchwald erarbeiteten
Materials, ein Register zur Person Luthers, ein Orts- und ein
Personenregister. Wegen Unzulänglichkeiten aber wurden die Register von
der Luther-Kommission unter Vorsitz von Hanns Rückert 1956 neu geplant
und sollten nun folgende Teile umfassen: 1. Bibelstellen, 2. zitierte
Schriftsteller, 3. Orte, 4. Personen, 5. Sachen. Das Bibelstellenregister
wurde vorläufig zurückgestellt, vor allem weil seine Erarbeitung eine
genaue Verifizierung der Bibelzitate erfordert hätte. Die Erstellung der
anderen Register wurde Anfang der sechziger Jahre mit der Exzerption der
Stichwörter begonnen. Die Belege wurden auf Karteikarten festgehalten,
die das Stichwort in seinem unmittelbaren Kontext bieten. Anfangs wurden
die Texte mit Schreibmaschine abgeschrieben und mit Matrize
vervielfältigt, später konnten die Belegkarten mit Kopiergeräten
hergestellt werden. Das Material zum Sachregister wurde innerhalb der
beiden hauptsächlich vorkommenden Sprachen Latein und Deutsch
alphabetisch geordnet. Die ca. 3 Mio. Karten machen den Bestand
des Luther-Archivs im Tübinger Institut für Spätmittelalter und
Reformation aus.
Anfangs wurde das Projekt von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG)
finanziert. Als ein langfristiges Projekt wird es seit 1990 von
der Heidelberger Akademie der Wissenschaften betreut. Die
Tübinger Forschungsstelle wird von dem Kirchenhistoriker Prof.
Dr. Ulrich Köpf geleitet. Die von der Akademie eingesetzte
Kommission steht unter dem Vorsitz von Prof. Dr. Martin Heckel.
Das Ortsregister (WA62) erschien 1986, das Personen- und
Zitatenregister (WA63) 1987. Die fünf Bände des lateinischen
Sachregisters (WA64-68) erschienen 1990-1999. Für das deutsche
Sachregister sind ebenfalls fünf Bände geplant, deren erster
2001 erschienen ist und deren letzter 2009 fertiggestellt sein soll.
Während das Orts- und Personenregister die erhobenen Belege vollständig
erfassen, kann das Sachregister in vielen Fällen nur eine sinnvolle
Auswahl wiedergeben. Auch darin unterscheidet sich das Luther-Register
von einem bloßen Wortindex, der auf mechanischem Wege alle vorhandenen
Belege reproduzieren würde. Neben der Auswahl besteht eine Leistung des
Sachregisters darin, die Belege zu einem Stichwort ab einer bestimmten
Anzahl nach inhaltlichen Gesichtspunkten zu ordnen. Hier werden
Bedeutungsvielfalt, Kontextmerkmale und sprachliche Besonderheiten
berücksichtigt.
Das Sachregister unterscheidet sich nicht nur von einem Wortindex,
sondern auch von einem Bedeutungswörterbuch zu Luthers Schriften. Denn es
stehen nicht in erster Linie philologische Interessen im Vordergrund,
sondern die Erschließung der in den Texten dargestellten Inhalte. Dieser
Erschließung dienen die semantischen und grammatischen Beobachtungen.
Das Luther-Register muß auch von einem Begriffslexikon abgegrenzt werden.
Ein solches müßte von gegenwärtigen Begriffen ausgehen und von ihnen aus
nach ihrem Ausdruck in den Schriften Luthers fragen. Das Luther-Register
aber geht von den in den Texten vorkommenden Wörtern aus und stellt die
in ihnen ausgedrückten Sachen und Inhalte dar. Deshalb werden die
Stichwörter unmittelbar aus den Texten gewonnen. Allerdings müssen sie im
deutschen Sachregister nach DUDEN normalisiert werden. Aufgenommen werden
alle sinntragenden Wörter, also keine Synkategoremata, es sei denn, sie
wären Thema von Aussagen Luthers.
Wegen der langen Geschichte der Register-Arbeit konnte nicht mehr die im
Entstehen begriffene elektronische Ausgabe der WA, die im Verlag Chadwyck
Healey erscheint, einbezogen werden. Aber auch soweit diese elektronische Ausgabe zur
Verfügung steht, ist unsere Artikelerstellung immer auf die Darbietung des
Materials in Karteikartenform angewiesen, da am Bildschirm allein der für
die Artikelgliederung erforderliche Überblick über das Belegmaterial
nicht zu gewinnen ist und seine Disponierbarkeit begrenzt ist.
Kontroll- und Ergänzungsarbeiten können aber mit gewissen Einschränkungen, die
besonders in der punktuellen Unzuverlässigkeit der Textwiedergabe und der
Vielzahl der Schreibvarianten der deutschen Wörter liegen,
unterstützt werden.
Für die technische Durchführung der Registererstellung
dienen folgende elektronische Hilfen:
- Die Erfassung der von den Artikelautoren erstellten Artikel erfolgt am
PC mit WORD2000 durch Eintragung der Daten (Disposition, Belegstellen,
Zitate) in schon angelegte Dateien, die die Stichwörter eines
Bereichs enthalten. In den Dateien sind Formate vorgegeben.
Die Eingabe der Bandzahlen der Belegstellen ist automatisiert, d.h. mit
einer Funktionstaste wird die Formatierung erzeugt (Fettdruck,
Hochstellung der Teilbandangaben, Komma vor der Seitenangabe).
- Die Korrektur der Stellenangaben und Zitate anhand
der Referenzausgabe wird unterstützt durch Prüfprogramme:
- Ein Protokoll zeigt formale Schreibfehler (falsche Formatierungen) an.
Die betreffende Textstelle kann in der Textdatei direkt angesteuert und
berichtigt werden. Danach wird das Prüfprogramm wiederholt, solange bis
keine Fehlermeldungen mehr erscheinen.
- Siglen: Anhand der aktuellen Zitierliste werden die Siglen der
Belegstellenangaben überprüft und Fehler notiert oder eine Überprüfung
verlangt. Die betreffende Textstelle kann direkt erreicht werden.
- Numerische Liste aller Belegstellenangaben eines Artikels. Das
Programm ergänzt die Bandangabe bei Belegstellen ohne Bandangabe. Diese
Liste dient der Korrektur der Belegstellenangaben, d.h. es kann überprüft
werden, ob an der angegebenen Stelle das Stichwort tatsächlich
in der Referenzausgabe vorkommt.
- Doppelzitierungen: Da eine Seite der Referenzausgabe in
einem Artikel nach Möglichkeit nur einmal erwähnt sein soll,
kann mit dieser Liste ein mehrfaches Vorkommen festgestellt und
seine Notwendigkeit überprüft werden.
- Ein Programm zur Extraktion der Artikelstruktur
dient dessen leichterer Vereinheitlichung.
- Im Zuge der redaktionellen Bearbeitung der Artikel
werden die Dateien zu Bänden zusammengefaßt. Eine
Umfangskontrolle erfolgt auf der Basis von Seiten- oder Zeilenzahlen.
- Die Dateien eines Bandes werden an die Firma pagina in Tübingen zur
Durchführung des Satzes auf der Grundlage von TUSTEP
weitergeleitet. Dort werden die Kolumnentitel und Zeichen,
die mit WORD nicht angemessen dargestellt werden können,
eingefügt.
aus:
Protokoll des 84. Kolloquiums
über die Anwendung
der EDV in den Geisteswissenschaften am 2. Februar 2002