TUSTEP und die andere Welt: Schnittstellen und Oberflächen.
ITUG-Workshop, 8.-11. 10. 1998

Unter dem in der Überschrift genannten Thema fand der mittlerweile Tradition gewordene alljährliche Workshop der ITUG (International TUSTEP User Group) vom 8. bis zum 11. Oktober 1998 in Pressel bei Leipzig statt.

Neben der Vorstellung von Neuerungen in TUSTEP wurden die Anforderungen diskutiert, die im geisteswissenschaftlichen Bereich an Problemanalyse und -definition, davon abhängig an Software-Tools gestellt werden müssen.

Relativ viel Raum war für den ersten Tagesordnungspunkt 'Wünsche an TUSTEP' vorgesehen worden. Neben Anregungen zur Konvertierung vom Fremddaten und der Bitte, die Ansteuerung von Nicht-PostScript-Druckern unter Windows zu verbessern (hier konnte bereits eine Lösung für die Version 1999 in Aussicht gestellt werden), erbrachte die Diskussion eine ganze Reihe von Detailvorschlägen zu einzelnen TUSTEP-Programmen, insbesondere zum Editor, zur Kommandooberfläche, zur Dokumentation (neben einer Aktualisierung wurden differenziertere Suchmöglichkeiten für die Onlinehilfe und Beispiele angefragt) und zum Satzprogramm.

Über die Neuerungen, die für die Version Januar 1999 vorgesehen sind, orientierte W. Ott. Diese Neuerungen betreffen neben den Erweiterungen bei den Kommando-Makros (s. u.) die Kommunikation zwischen TUSTEP und der jeweiligen Systemumgebung (insbesondere Windows), Erleichterungen bei der Verwaltung der Konfiguration, Funktionalitäten auf der Kommandoebene, den Zeichenvorrat und das Satzprogramm.

K. Schälkle erläuterte die Ergänzungen im Bereich Kommando-Makros. Gegenüber dem (in BI 97/5+6, S. 10-12 beschriebenen) bisherigen Stand ist mit Makroanweisungen mittlerweile neben dem Schreib- auch der - ggf. durch Suchbedingungen qualifizierte - Lesezugriff möglich. Strukturierte Daten können nun auch mit den speziellen Mitteln der Kommando-Makros und unter Einsatz aller in TUSTEP möglichen Differenzierungen durchsucht, Ergebnisse können ggf. in Masken dargestellt werden. Anwendungsmöglichkeiten illustriert eine von K. Schälkle und F. Seck (UB Tübingen) entwickelte Applikation zur Verwaltung und Auswertung von Nachlässen, die abschließend demonstriert wurde: Komplexe Strukturen werden mithilfe der Makrofunktionalitäten von TUSTEP in eine geeignete Arbeitsumgebung abgebildet, die den jeweiligen fachwissenschaftlichen Anforderungen entspricht, in diesem Falle archivalische Kategorien und Kriterien zur Verfügung stellt, und beim Anwender keine TUSTEP-Kenntnisse voraussetzt.

N. Castrillo Benito (Universität Burgos / Spanien), der den nächsten ITUG-Workshop ausrichten wird, unterstrich in seinem Bericht über zwei in Spanien angesiedelte Projekte (Edition und Analyse zweier lateinischer Corpora) generelle propädeutische Effekte der TUSTEP-Anwendung: Die für das wissenschaftliche Arbeiten mit Texten unerläßliche analytische Kompetenz werde durch die vom Programm diktierte Notwendigkeit, Textstruktur und Problemstellung abstrakt zu beschreiben, geschult. Definition und Strategie werde im Zuge von Programmentwicklung und -ablauf fortlaufend kontrolliert und verfeinert.

Die Spannung zwischen Standardlösung und Spezialfall thematisierte G. Reeg (FU Berlin) in einem Beitrag zur Anwendung von Makros: Zwar sei die Arbeit in Projekten ohne Makros nicht vorstellbar, doch müsse die resultierende Abhängigkeit vom speziellen Wissen derjenigen, die unter solchen Umständen alleine über Kenntnis der Daten- und Programmstrukturen verfügen, in geeigneter Weise abgefangen werden. - Angesichts der Komplexität der jeweiligen fachwissenschaftlichen Probleme verwundert es nicht, daß zu ihrer Analyse aufwendigere Strukturen und Prozeduren erforderlich sind. Spezialkenntnisse sind deshalb in jedem Falle erforderlich, Abhängigkeiten werden unvermeidbar - sei es von Experten in-house oder von externen Dienstleistern, Softwareherstellern, deren Hotlines ...

Die Steuerung von TUSTEP durch CGI-Scripts wurde von M. W. Küster am Beispiel der Bibliotheksdatenbank des ZDV demonstriert. Die Möglichkeit, TUSTEP-Dateien und TUSTEP-Funktionalitäten, etwa die hochdifferenzierten Suchfunktionen, auf diesem Wege im Web direkt verfügbar machen zu können, wurde von den Teilnehmern des Workshops als spektakuläre Neuerung begrüßt (s. dazu den Beitrag von M. W. Küster in dieser Nummer der BI: TUSTEP und das Netz. ... ).

Erste Resultate der Entwicklung interaktiver Oberflächen präsentierte M. Kopp. Vorrangiges Ziel bei der Entwicklung dieser Oberfläche ist, die Akzeptanz von TUSTEP für Neueinsteiger zu erhöhen (vgl. die Abschlußdiskussion des TUSTEP-Wochenendseminars in Blaubeuren vom 9.-11. Jan. 1998 und den Bericht in BI 98/1+2, S. 21 ). Kontrovers diskutiert wurde die Frage nach dem Leistungsumfang, der unter dieser Oberfläche verfügbar gemacht werden soll. Für eine eingeschränkte Funktionalität spricht, daß damit Komplexität vermieden werden kann, die - prinzipiell und unabhängig von der jeweiligen Oberfläche - den Zugang erschwert. Der Übergang zu komplexeren Problemen und Lösungen soll durch eine komfortable und kommentierte Protokollierung der unter der interaktiven Oberfläche erzeugten TUSTEP-Prozeduren ermöglicht werden.

Abschließend demonstrierte M. W. Küster wesentliche Funktionen der voraussichtlich zu Beginn des nächsten Jahres verfügbaren Prozedur, mit der TUSTEP über das WWW bezogen werden kann, sowie einen Baustein, der RTF-Files in SGML-konforme Files überführt.

Die Diskussionen im Rahmen und am Rande des Workshops haben einmal mehr deutlich werden lassen, daß für geisteswissenschaftliche Anwendungen auf Projektebene Standardlösungen nicht möglich sind, daß außerdem nach wie vor ein großer Bedarf an Informationen über strukturierte Daten und deren Verwaltung besteht.

Der nächste Workshop der ITUG wird unter dem von N. Castrillo Benito vorgeschlagenen Titel "TUSTEP educa" voraussichtlich vom 2. bis zum 6. Oktober 1999 in Burgos/Spanien stattfinden.

Matthias Kopp
kopp@zdv.uni-tuebingen.de


BI 98/9 + 10, S. 12-13