Protokoll des 15. Kolloquiums über die Anwendung der
Elektronischen Datenverarbeitung in den Geisteswissenschaften
an der Universität Tübingen vom 24. Juni 1978

 

Kurzberichte

Herr Ott berichtet über die Teilnahme an folgenden Tagungen:
 

EDV in der Universitätsbibliothek Tübingen heute und morgen


 

Klaus Teige (Universitätsbibliothek)

Aktuelle Bibliotheksdaten:
Laufende Zeitschriften und Erwerbungsstatistik der UB;
Verzeichnis "Tübinger Bibliotheken"

Die Universitätsbibliothek nutzt die Datenverarbeitung auf verschiedenen Gebieten, die insgesamt unter dem Thema "Aktuelle Bibliotheksdaten" zu betrachten sind. Es handelt sich bei den drei vorzustellenden Anwendungen um Diese Projekte reichen noch bis in die Zeit zurück, in der die Anwender ausschließlich im Stapelbetrieb arbeiteten.

1. Datei der laufenden Zeitschriften

Im Jahre 1975 war es für die Bibliothek aus funktionellen Gründen notwendig, in der Zeitschriftenakzession eine Steilkartei durch ein moderneres Karteisystem (Breitstaffelkartei) zu ersetzen. Die Kartei dient als Nachweis für den Zugang der einzelnen Hefte und die Rechnungsführung.

Das Neueinrichten von Karteien ist in Bibliotheken mit beträchtlichem Aufwand an Schreibarbeiten verbunden. Es lag deshalb nahe, die akzessorischen und bibliographischen Daten von den bisherigen Karteikarten gleich auf maschinenlesbare Belege zu übertragen. Verwendet wurden formatierte OCR-Belege, geschrieben wurde mit Kugelkopfschreibmaschinen.

Das Einlesen übernahm das Rechenzentrum der Universität Ulm. An gleicher Stelle wurden nach dem Erfassen der OCR-Bögen die neuen Karteikarten für die Zeitschriftenbearbeitung in alphabetischer Ordnung ausgedruckt. Die Systementwicklung ging unter den früheren Bedingungen davon aus, daß alle künftigen Neuaufnahmen und Korrekturen ebenfalls über OCR-Belege abzuwickeln sind. Mit Installierung der neuen Rechenanlage des ZDV in der Brunnenstraße erhielt die Universitätsbibliothek ein Datensichtgerät für den Dialogbetrieb. Sofort wurden mit Unterstützung der Abteilung literarische und dokumentarische Datenverarbeitung die auf Magnetband gespeicherten Daten hier in Tübingen in eine Textdatei überführt. Seit Anfang 1976 wird die Dateipflege nur on-line betrieben, eine wesentliche Verbesserung und Erleichterung, die gleichzeitig eine raschere Aktualisierung der Datei bewirkt.

Jeder Zeitschriftentitel besitzt in der Datei eine Identifikationsnunmer, alle Erwerbungsdaten sind in 24 Zeilen aufgeteilt. Für die mit der Datei der laufenden Zeitschriften in Verbindung stehenden Verarbeitungsprozesse werden ausschließlich die Tübinger Standardtextprogramme herangezogen. Die gespeicherten Daten wurden bereits verwendet

2. Erwerbungsstatistik

Die Erwerbungsstatistik der Universitätsbibliothek wird seit 1974 durch die Datenverarbeitung erstellt, für die spezielle Programme geschrieben wurden. Die Erfassung geschieht ausschließlich auf OCR-Belegen, zuerst mit handschriftlichen Angaben, danach über eine Schreibmaschine mit OCR-Ziffern für die maschinelle Erfassung auf denselben Bogen. Zu einem Eintrag gehören Preisangaben, Anzahl der Bände und 12 Kategorien von Schlüsselzahlen für statistische Erhebungen (wie Lieferant, Erscheinungsland, Fachgebiet usw.).

Das Einlesen erfolgt über den Belegleser im Ulmer Rechenzentrum, die Weiterverarbeitung im Tübinger Rechenzentrum auf der CDC 3300. Mit den Verarbeitungsprogrammen ist eine automatisierte Währungsumrechnung in DM verbunden; so reicht bei der Akzessionierung der vorliegende Originalpreis aus. Die statistische Auswertung beruht ausschließlich auf DM-Beträgen und auf Mengenangaben für Bücher und Zeitschriften. Durch Parameterkarten werden jeweils die gewünschten Tabellen angefordert.

3. "Tübinger Bibliotheken"

Bereits in dritter Auflage erschien im Jubiläumsjahr der Universität Tübingen (1977) ein Bestands- und Adressenverzeichnis der Tübinger Bibliotheken, mit Berücksichtigung der Bibliothek der PH Reutlingen. Für die Ersterfassung wurde ein Flexowriter benutzt. In der Zwischenzeit erfolgt auch hier die Bearbeitung der Neuauflagen am Datensichtgerät. Die für das Verzeichnis gewünschten Angaben sind durch Kategorienummern gekennzeichnet. Einzelne Kategorien werden durch Angaben wie Adressen, Bestandsumfang etc. ergänzt. Bei anderen Eintragungen genügt die Eingabe der Kategorienummer, für die im Heft ein Klartext erscheint (z.B. Autorenkatalog). Nur Neueinträge und Korrekturen lassen sich über die TR 440 bearbeiten. Das Aufbereiten des Satzprogrammes einschließlich Registerherstellung bleibt wie bisher auf der CDC 3300.

Das Verzeichnis, das in Abständen von jeweils zwei Jahren erscheint, bietet aktuelle Informationen nicht nur zum Bibliothekssystem der Universität, sondern über alle bibliothekarischen Einrichtungen innerhalb Tübingens. Es ist eine wichtige Ergänzung zum Tübinger Gesamtkatalog.
 

Friedrich Seck (Universitätsbibliothek)

Bestandsverzeichnisse und Bibliographien

1. Verzeichnisse der Lehrbuchsammlung (LBS)

Die LBS war im November 1965 eröffnet worden. Nach dem Beispiel anderer Bibliotheken wurde 1972 ein Verzeichnis der mathematischen, naturwissenschaftlichen und medizinischen Bestände in Angriff genommen. Zunächst war vorgesehen, ein maschinenschriftliches Manuskript zu vervielfältigen. Auf Vorschlag von Herrn Ott wurde stattdessen ein EDV-gestütztes Verfahren eingesetzt, das nicht nur ein besseres Druckbild ergab, sondern auch die Wiederverwendung einmal gespeicherter Daten für spätere Auflagen und die automatische Herstellung von Registern ermöglichte. Die Erfassung nach einfachen Konventionen erfolgte auf dem Flexowriter (programmierbare Lochstreifenschreibmaschine); für die Verarbeitung wurde ein eigenes FORTRAN-Programm mit folgenden Leistungen geschrieben:

  1. alphabetisches Sortieren der Titel innerhalb der Kapitel,
  2. Archivausgabe nach Erfassungskonventionen, jedoch sortiert, zur Vorbereitung der nächsten Auflage,
  3. Ausgabe mit Satzsteuerzeichen.
Für die Register wurden die Tübinger Standardtextprogramme benutzt. Sämtliche Programme liefen auf der CDC 3300.

Nachdem sehr leistungsfähige Standardtextprogramme für die TR 440 vorlagen, ergab sich die Möglichkeit, die Verzeichnisse mit Ausnahme des Satzprogrammlaufs mit diesen Programmen vorzubereiten. Die Titel jedes Verzeichnisses sind nunmehr durchnumeriert, und das Register bezieht sich auf diese laufenden Nummern. Das Register kann somit vor dem Satzprogrammlauf hergestellt werden, was die Herstellung der Verzeichnisse erheblich erleichtert.

Das erste Verzeichnis erschien zum WS 1973/74. Seit Mai 1977 ist der gesamte Bestand der LBS in gedruckten Verzeichnissen erfaßt.

2. Zeitschriftenverzeichnisse

Mit der Eröffnung der Zweigbibliothek Auf der Morgenstelle im Januar 1975 wurde ein nach Fächern geordnetes Verzeichnis der dort aufgestellten mathematischen und naturwissenschaftlichen Zeitschriften vorgelegt. Auch hier wurden die Daten auf dem Flexowriter erfaßt und mit einem eigenen FORTRAN-Programm auf der CDC 3300 verarbeitet. Für die 2. Auflage, die auch Institutsbestände enthält und alphabetisch geordnet ist, mußte im Frühjahr 1976 ein neues Programm geschrieben werden, das auf der TR 440 läuft und seitdem regelmäßig benutzt wird.

Für das Verzeichnis der medizinischen und psychologischen Zeitschriften konnten die Daten zu rund 60% aus der oben von Herrn Teige besprochenen Datei der laufenden Zeitschriften übernommen werden.

Ebenfalls unter Benutzung der Tübinger Zeitschriftendatei und des erwähnten Programms hat die Pädagogische Hochschule Reutlingen ein Reutlinger Zeitschriftenverzeichnis erarbeitet, das vom Referenten betreut wurde. Zusätzlich wurde hier ein nach Bibliotheken und weiter nach Signaturen geordnetes systematisches Register mit Zwischenüberschriften gewünscht. Es konnte mit den Standardprogrammen aus den Ausgangsdaten gewonnen werden.

3. Bibliographie zur Geschichte der Universität Tübingen

Im Rahmen der Jubiläumsvorbereitungen erhielt die Bibliothek 1970 den Auftrag, eine Bibliographie zur Geschichte der Universität Tübingen zu erarbeiten. Auch hier wird zur Sortierung, Registerherstellung und Satzvorbereitung die EDV benutzt. Wegen des großen Umfangs der Daten (etwa 9000 Titel) wurde dabei besonderer Wert auf die abgekürzte Erfassung häufig vorkommender Zeichenfolgen gelegt (z.B. Tübingen; Universität; Eberhard-Karls-Universität; Zeitschriftentitel einschl. Signatur, die jedoch erst hinter der Stellenangabe eingesetzt wird). Für die Verarbeitung werden ausschließlich die Standardprogramme benutzt. Ein Korrekturausdruck (Schnelldruckerprotokoll) liegt an 4 Stellen im Universitätsbereich (Bibliographiensaal der UB, Universitätsarchiv, Institut für geschichtliche Landeskunde und historische Hilfswissenschaften, Institut für Geschichte der Medizin) zur Einsicht und Kritik aus.
 

Richard Landwehrmeyer (Universitätsbibliothek)

Planung: Ausleihverbuchung und Katalogisierung

1. Ausleihverbuchung

Die Universitätsbibliothek (UB) Tübingen ist mit ihren Automatisierungsplänen abhängig von der Landesplanung, die eine weitgehende Einheitlichkeit und Kompatibilität der eingesetzten Systeme anstrebt. Pläne für die Automatisierung der Ausleihe existieren seit 1973. In der Planung an erster Stelle standen in Baden-Württemberg die UB Freiburg und Heidelberg. Für die UB Tübingen hat das den Vorteil, daß sie von den Vorarbeiten der anderen profitieren kann, andererseits aber den Nachteil der Abhängigkeit von den dortigen Entwicklungen. An der Einführung der Automatisierung führt jedoch kein Weg vorbei. Die Gründe dafür liegen in der laufend wachsenden Zahl der Ausleihvorgänge und im gleichzeitigen Stagnieren des Personalbestandes.

Die UB Tübingen hat eine Magazin-Bibliothek und nur sehr begrenzt Freihand-Bestände. Der Benutzer muß deshalb unliebsame Wartezeiten in Kauf nehmen, bis er das gewünschte Buch erhält; der Ausleihvorgang ist umständlich und zeitraubend; die vielen Negativbescheide (ca. 30%) bedeuten eine hohen Anteil von vergeblichen Arbeitsgängen. Die Automatisierung der Ausleihe ist die Voraussetzung für eine ganztägige Sofortausleihe. Jederzeit ist der aktuelle Stand jeden Buches, das Ausleihkonto jeden Benutzers abfragbar. Eine intensivere Nutzung des Bibliotheksbestandes wird möglich durch automatische Fristenkontrolle und automatisches Mahnwesen.

Voraussetzung für eine Automatisierung der Ausleihe ist ein störungsfreier Betrieb der eingesetzten Hardware. Um Ausfälle zu vermeiden, muß ein autonomes System in doppelter Auslegung vorhanden sein, das zwar an den Zentralrechner angeschlossen ist, aber unabhängig von diesem betrieben werden kann.

Die in Freiburg entwickelte Software ist auf Freihand-Ausleihe zugeschnitten. Für die Tübinger Magazin-Bibliothek muß die Software den hiesigen Verhältnissen angepaßt werden.

2. Katalogisierung

Ein Verbund der wissenschaftlichen Bibliotheken der Leihregion Baden-Württemberg in einem Zentralkatalog ist mit konventionellen Mitteln bereits realisiert. Dieser Verbund steht im Zusammenhang mit der Einführung der "Regeln für die alphabetische Katalogisierung" (RAK), die eine einheitliche Katalogisierung ermöglichen. Mit der Automatisierung dieses Verbundes in einem zentralen Verbundsystem mit lokalen Subsystemen dürfte in etwa 10 Jahren zu rechnen sein.

Große Rationalisierungsmöglichkeiten ergeben sich vor allem durch die Einsparung von Vielfachkatalogisierung durch Übernahme von überregionalen und internationalen Fremddaten. Lokal könnten die einzelnen Bücher zunächst mit einem Kurztitel im Minimalformat (Beispiel: CIP - Cataloging in Publication) erfaßt werden, bis die endgültige Titelaufnahme vorliegt. Schwierigkeiten ergeben sich hier jedoch durch den erforderlichen Mehrfachaustausch von Titelkarten, wenn das traditionelle Zettelsystem beibehalten wird.

Vor Abschluß dieser Regionalplanung werden in Tübingen bereits fachbezogene Dokumentationsprojekte in Angriff genommen, die einmal als Bestandteile in das Fachinformationszentrum 14 (Geisteswissenschaften) integriert werden sollen: Ein theologisches (THEODOK) und ein germanistisches (GERDOK) Informations- und Dokumentationssystem zur Herstellung laufender Fachbibliographien und für Literaturrecherchen.

Diskussion

Die Internationale Standard-Buch-Nummer (ISBN) kann zur Identifizierung von Büchern herangezogen werden. Zusätzlich ist jedoch eine weitere Kennung erforderlich, da z.B. für dasselbe Buch mit verschiedenem Einband verschiedene ISBN vergeben werden.

Die Einführung der Ausleihverbuchung wird stufenweise vor sich gehen. Am Anfang wird eine Probephase stehen, in der die automatische Ausleihe zunächst nur für Freihand-Bestände eingerichtet wird. Die Vergabe und das Anbringen der Buchmarkierung für den optischen Leser wird im Zuge der Ausleihe erfolgen, so daß häufig ausgeliehene Bestände zuerst erfaßt werden.

Die Einbeziehung von Dokumentationsfunktionen in die Automatisierung der Katalogisierung ist im Rahmen der Aufgaben der UB nicht möglich. Jedoch besteht schon jetzt von der UB aus ein On-line-Anschluß an DIMDINET in Köln (Deutsches Institut für medizinische Dokumentation und Information). Die Dokumentationsaufgaben werden im Rahmen des I&D-Programms der Bundesregierung von den Fachinformationszentren (FIZ) übernommen werden.

 
(Die Kurzfassungen der Referate wurden von den Referenten zur Verfügung gestellt.)


Zur
Übersicht über die bisherigen Kolloquien
tustep@zdv.uni-tuebingen.de - Stand: 17. April 2002