Protokoll des 47. Kolloquiums über die Anwendung der
Elektronischen Datenverarbeitung in den Geisteswissenschaften
an der Universität Tübingen vom 2. Dezember 1989

 

Allgemeine Informationen

1. Forschungsschwerpunkt 08 "Wissenschaftliche Textdatenverarbeitung"
Die Förderung des Forschungsschwerpunkts 08 läuft Ende 1989 planmäßig aus. Die Empfehlung der Kommission 2000, diesen Schwerpunkt langfristig weiterzufördern, kann nach Auskunft des Kanzlers der Universität frühestens mit dem nächsten Doppelhaushalt (1991/92) umgesetzt werden. Ein Antrag an das MWK, für das Jahr 1990 eine (wenn auch reduzierte) Übergangsfinanzierung bis dahin zu gewähren, wurde von diesem abgelehnt. Eine in Aussicht gestellte Intervention durch die Leitung der Universität könnte frühestens im Frühjahr 1990 Erfolge zeigen.

Für das Haushaltsjahr 1991/92 sind entsprechende Anträge gestellt worden. Sie sehen als erste Stufe eines mehrstufigen Plans Personalstellen in dem Umfang der Förderung der Jahre 1985-1989 vor, zuzüglich einer Stelle für eine(n) Verwaltungsangestellte(n). Die Universitätsleitung ist zuversichtlich, daß dieser Antrag Erfolg haben wird.

Für Unterstützung und Weiterentwicklung der Wissenschaftlichen Textdatenverarbeitung am ZDV wird also zumindest 1990 erheblich weniger Personal zur Verfügung stehen.

2. OPTOPUS Lesegerät
Als Ergänzung des seit 1985 vorhandenen KDEM steht jetzt ein Lesesystem OPTOPUS der Firma Makrolog zur Verfügung. Das Gerät erweitert dank seiner größeren Flexibilität die Einlesemöglichkeiten für gedruckt vorliegende Texte wesentlich, insbesondere für ältere Drucke (z.B. in Frakturschrift) und für Texte in nicht-lateinischen Schriften. Das Gerät kann darüber hinaus als Scanner für Bild-Information genutzt werden.
 

Werner Wegstein (Würzburg)

Neuhochdeutscher Index zum mittelhochdeutschen Wörterbuch.
Lexikographische Erfahrungen mit den Materialien von Benecke, Lexer, Pretzel

Summary:
New High German Index for the Middle High German Dictionary

Lexicographical insights into the materials of Benecke, Lexer, Pretzel

The collection of Middle High German language materials initiated by Benecke and elaborated by Müller and Zarnke, and issued in the Mittelhochdeutsches Wörterbuch between 1854 and 1866 is the basis of all later comprehensive Middle High German dictionaries. For all the significance of the material, the basis collection and its several derivations and editions (notably by Lexer and Pretzel) are beset with complexities of inconsistency. In the present project, which establishes an index by New High German word forms with the help of TUSTEP routines, the lexicographical problems stand revealed, and no attempt has been made to smooth them over.

 

Ziel eines gemeinsamen Arbeitsvorhabens mit Erwin Koller und Norbert Richard Wolf am Institut für deutsche Philologie der Universität Würzburg war es, den mittelhochdeutschen Wortschatz über einen Index der neuhochdeutschen Bedeutungen zu erschließen. Das Projekt ist inzwischen abgeschlossen; zur Illustration ist am Schluß dieses Beitrags eine Probeseite beigefügt. Einige Erfahrungen aus der Arbeit am Index sollen hier vorgestellt werden.

1. Lexikographische Basis

Grundlage aller neueren Gesamtwörterbücher zum Mhd. ist das von Benecke initiierte, von Müller und Zarncke schließlich ausgearbeitete »Mittelhochdeutsche Wörterbuch«, das in den Jahren von 1854 bis 1866 erschien. Im Informationsgehalt weit ausgreifend - man vergleiche etwa den auch aus kulturhistorischer Sicht lesenswerten Artikel zu mhd. bat -, im Artikelaufbau klar gegliedert nach Bedeutungsvarianten und syntaktischer Verwendung, liefert es zu den Bedeutungsansätzen zahlreich Belegstellen aus den Texten. Es ist nach Wortfamilien geordnet.

Die Aufgabe, dazu einen alphabetischen Index in Form eines Handwörterbuchs zu erstellen, das auch gleich noch die Nachträge zum Stammwörterbuch aufnehmen sollte, nahm bald nach der Fertigstellung Matthias Lexer in Angriff. Sein »Mittelhochdeutsches Handwörterbuch« (1869 - 1878) nahm Lexer später wiederum zur Grundlage für ein »Mittelhochdeutsches Taschenwörterbuch«, das in der 3. Auflage von 1885, der letzten von Lexer umgearbeiteten Fassung, "in der neuen gestalt auch als ein supplement und korrektiv des H[andwörterbuchs] und im ganzen (von vielen unwesentlichen und selbstverständlichen kompositionen abgesehen) auch als ein repertorium des dermaligen mittelhochdeutschen sprachschatzes betrachtet werden" kann (Vorwort, S. III). In der 19. Aufl. von 1930 wurde Lexers Material überarbeitet und in bescheidenem Umfang ergänzt. Vor allem aber wurde die bislang streng alphabetische Anordnung aufgegeben zugunsten der Bildung von Wortnestern, Wortartikeln, die stammverwandte Wörter zusammenfassen. Im Jahr 1959 wurde der 29. Auflage ein Nachtrag von Ulrich Pretzel unter Mitarbeit von Rena Leppin und Wolfgang Bachofer beigefügt. In der 34. Auflage wurde dieser Nachtrag durch eine Neufassung ersetzt (Ulrich Pretzel: Nachträge zum Mhd. Taschenwörterbuch unter Mithilfe v. Dorothea Hannover und Rena Leppin neubearb. u. aus den Quellen ergänzt, 1974), die seitdem unverändert nachgedruckt wird. Vgl. dazu auch: Wolfgang Bachofer, Mittelhochdeutsches Wörterbuch in der Diskussion. Symposion zur mittelhochdeutschen Lexikographie, Hamburg, Oktober 1985, Tübingen 1988 (Germanistische Linguistik, Bd. 84).

Die bekannten Defizite in der mittelhochdeutschen Lexikographie sollen hier nicht weiter ausgebreitet werden. Zu den Nachträgen sei daher nur angemerkt, daß nicht allein die divergierende Sprache der neuhochdeutschen Bedeutungsbeschreibungen sehr problematisch erscheint, vor allem fehlt den Bedeutungsangaben die Verifikationsmöglichkeit an Belegen, wohingegen die Bedeutungen im »Taschenwörterbuch« durch den Bezug auf »Handwörterbuch« und »Mittelhochdeutsches Wörterbuch« bis in die Quelltexte zurückzuverfolgen sind.

2. Indexprojekt

Nach den langjährigen positiven Erfahrungen mit der Anwendung der Datenverarbeitung in der Philologie, und das heißt in Würzburg vor allem in der Arbeit mit TUSTEP, das - unbeschadet aller Rechnerwechsel - seit 1976 hier zur Verfügung steht, kam für die Herstellung des Index nur ein EDV-gestütztes Verfahren in Frage. Als Basis haben wir Lexers Taschenwörterbuch, eben "als repertorium des mittelhochdeutschen sprachschatzes", in der aktuellen Version einschließlich der »Nachträge« verwendet. Die einzelnen Wortartikel wurden nach einem Indexsystem, das im Verlauf der Arbeiten bei Bedarf noch weiter verfeinert werden konnte, ausgezeichnet und manuell auf den Rechner übertragen. Nach aufwendigen und zeitraubenden Korrekturgängen wurde mit den durch TUSTEP verfügbaren Programmbausteinen und Programmleistungen aus dieser Stammdatei der Index erstellt und ohne weitere Eingriffe für den Satz aufbereitet. Es sei an dieser Stelle betont, daß uns TUSTEP nicht nur zur Textbearbeitung gedient hat, sondern daß auch Korrekturschritte und Projektverwaltung über TUSTEP-Prozeduren abgewickelt und kontrolliert wurden.

Oberster Grundsatz bei der Arbeit am Index war es, in die Bedeutungsbeschreibungen nicht einzugreifen. Die ursprüngliche Vorstellung, das mhd. Stichwort zusammen mit dem nhd. Erklärungskontext in den Index mit zu übernehmen, mußte daher auch, angesichts der divergenten Beschreibungssprache in den verschiedenen Teilen bzw. Schichten des Taschenwörterbuchs, einem konsequenten Indexkonzept weichen. Es soll die Inhomogenitäten ausgleichen und dafür sorgen, daß mhd. Wortmaterial nicht aufgrund von Ungleichmässigkeiten und Varianten in der nhd. Bedeutungsangabe nur an versteckter Stelle oder womöglich überhaupt nicht nachgewiesen wird. Einer ersten Klasse von Indexeinträgen werden so all die mhd. Stichwörter zugeordnet, die im »Taschenwörterbuch« nur durch die neuhochdeutsche Bedeutungsangabe ohne weiteren Kontext, quasi als eine Art Oberbegriff, erklärt werden. In eine zweite Klasse sind die mhd. Begriffe eingeordnet, deren neuhochdeutsche Bedeutungsbeschreibung in irgendeiner Form durch Attribute näher bestimmt ist. Innerhalb dieser beiden Klassen kann es vorkommen, daß aufgrund besonderer Wortformen in der nhd. Bedeutungsangabe (Partizipien, Präpositionalphrasen) auch andere, vom nhd. Indexstichwort abweichende mhd. Wortarten (etwa Adverbien) oder Wortformen (Plural) zu stehen kommen. Solche Einträge werden durch einen hochgestellten Punkt abgegrenzt bzw. kenntlich gemacht. In einer dritten Kategorie haben wir die mhd. Einträge zusammengefaßt, in denen das neuhochdeutsche Indexstichwort als Bedeutungsmerkmal auftritt, wobei wir den Begriff »Bedeutungsmerkmal« großzügig ausgelegt haben. Damit die Auffindung aller einschlägigen mhd. Formen unabhängig von Zufälligkeiten der Bedeutungsbeschreibung (z.B. Wortbildungskomplex statt Mehrwort-Phrase) gewährleistet ist, werden in der vierten und letzten Indexkategorie die weiteren neuhochdeutschen Stichwörter aufgeführt, in denen das Indexstichwort als Wortbildungselement erscheint.

3. Erfahrungen

Die alphabetische Sortierung des Wörterbuchmaterials mit Hilfe der Datenverarbeitung offenbart bis ins kleinste Detail Unterschiede in Orthographie und Morphologie bzw. Lexik. Als Gesamteindruck bleibt, daß das Wörterbuchmaterial noch inhomogener war als befürchtet. Schon die 3. Auflage des mhd. Taschenwörterbuchs, die Matthias Lexer 1885 noch der offiziellen Schulorthographie angeglichen hatte (mit Ausnahme der durchgängig beibehaltenen Minuskel und ss für ß), war in der Verwendung der Beschreibungssprache nicht konsequent. So finden sich hier schon zahlreiche Wortvarianten mit oder ohne Endungs-e bzw. -n: z.B. »genick« (in anke, halsbein) neben »genicke« (in genic), »haufe« (z.B. in bîge) neben »haufen« (etwa in hûste), »genoss« neben »genosse« u.s.w., wobei die Unterschiede teils schon aus Benecke / Müller / Zarnckes »Mittelhochdeutschem Wörterbuch« herrühren. Die tiefgreifende Bearbeitung in der 19. Auflage von 1930 brachte zwar "nur in bescheidenem Maße" Ergänzungen, trieb jedoch die orthographischen, morphologischen und lexikalischen Divergenzen noch weiter: Neue Inkonsequenzen treten beispielsweise auf in der Verwendung des scharfen ß, der Dehnungsschreibung von a/aa (»wage-« z.B. in balke, ëbenwâage, hengest und öfter gegenüber »waage-« wie in enwâage, klobe, schozwâage) und erst recht in Getrennt- und Zusammenschreibung. Was ursprünglich ziemlich konsequent getrennt geschrieben wurde, findet sich nun in willkürlichem Wechsel, einmal zusammengeschrieben, dann wieder auseinander. So heißt es jetzt »festmachen« bei erstaeten, vermachen, vervestenen, in allen anderen Fällen (bestaeten, feinen, gevesten, herten, verheften, verstaetigen, vestenen, ziln) ist »fest machen« stehen geblieben. Alphabetisierung zwingt hier zum Ausgleich. Für den Index haben wir Belege, in denen solche Varianten auftauchen, zugunsten des heutigen Usus vereinheitlicht, wobei wir uns an den Formen und Prinzipien des DUDEN-Universalwörterbuchs orientiert haben, das auch den Wortschatz des 19. Jahrhunderts noch recht gut abdeckt. Daß damit möglicherweise in den »Nachträgen« durch Getrennt- oder Zusammenschreibung markierte Bedeutungsunterschiede verdeckt werden könnten, mußte dabei in Kauf genommen werden.

Die besondere Problematik der »Nachträge« zum Taschen-Lexer zeigt sich - von fehlendem Quellenbezug, inkompatiblem Artikelaufbau und divergenter Beschreibungssprache abgesehen - besonders deutlich in Dubletten und Überschneidungen.

Hierzu noch einige Belege aus einem beliebig ausgewählten Bereich: Der Vergleich des Anfangs von Buchstabe mhd. »b« z.B. zeigt, daß die Angaben auf S. 368 der »Nachträge«: »ungetreuer vormund« zu balmunt, »bannmeile« zu banmîile, »mit entblößtem haupt« zu barhoubet, »barfüßermönch« zu barvüeze und »barfuß« zu barvuoz, allesamt Dubletten sind, die der Taschenlexer bereits auf S. 9 verzeichnet. Mit Einschränkungen gilt dies auch noch für baltlâiche, banen und bar.

In anderer Hinsicht verwirrend wirkt, daß die gleiche mhd. Phrase an verschiedenen Stellen erscheint und jeweils unterschiedlich interpretiert wird: Zu wâat prüeven findet sich so unter wat »einkleiden, ausrüsten« (S. 489), unter prüeven hingegen »dp. kleider anmessen, anfertigen lassen, jem. einkleiden« (S. 437); ähnlich zu sus hin »hinfort« unter hin (S. 408), unter sus aber »im übrigen, hinfort, künftig« (S. 451); zu schôone stâan steht unter schône »obenauf sein« (S. 443), unter stân »obenauf sein, unversehrt sein« (S. 447); schließlich heißt es zu kranker sin unter kranc »verblendung, trotz« (S. 418), unter sin »verblendung, verwirrung der gefühle« (S. 445). Die Beispiele ließen sich noch fortsetzen.

Als Fazit intensiver Detailarbeit an dem mhd. Wörterbuchmaterial bleibt am Ende die feste Überzeugung, daß die Benutzbarkeit von Lexers »Taschenwörterbuch« weder durch oberflächlich modernisierende Überarbeitungen zu verbessern oder zu aktualisieren ist, noch durch moderne »Nachträge«, die obendrein keinen Zugriff mehr auf die zugrundeliegenden Texte erlauben. Und schon gar nicht durch die Vermischung von beidem. Der Benutzer des Index wird sich hier selbst ein Urteil bilden können. Denn das Material der »Nachträge« ist, durch Kursive markiert, in den Index aufgenommen.


Neuhochdeutscher Index zum mittelhochdeutschen Wörterbuch (Probeseite):


 

Thomas Fliethmann (Trier); Helmut Hoping (Tübingen)

Vollständige zweisprachige Ausgabe des "Enchiridion symbolorum, definitionum et declarationum" von Denzinger / Schönmetzer

Summary:
A complete bilingual edition of the Enchiridion symbolorum, definitionum et declarationum by Denzinger and Schönmetzer

Denzinger's handbook collection of the most important church documents of catholic dogma first appeared in 1854. The present edition by Schönmetzer appeared in 1976 and contitutes its 36th edition. The intervening editions, successively actualising the collection by augmentation, have been partly in Latin, partly in German and other languages. The present project is aimed at a complete bilingual Latin and German edition, and it also proposes to increase the collection by documents right up to the present time.
In preparation, the Latin and Greek original texts have been KDEM-scanned. Files of the German translation texts have been entered via PC. TUSTEP is enlisted to organise the parallel presentation and to position the parallel texts by automatic typesetting.

 

Es gibt wohl kaum ein theologisch-systematisches Buch oder eine Vorlesung im Fach Dogmatik, in denen nicht das Sigel DS auftauchen würde. Nach dem ersten und letzten Herausgeber bezeichnet es ein in der katholischen Theologie weltbekanntes und fast überall verbreitetes Buch. Sein etwas barocker Titel lautet vollständig:

Enchiridion symbolorum, definitionum et declarationum de rebus fidei et morum, quod primum edidit Henricus Denzinger, et quod funditus retractavit auxit notulis ornavit Adolphus Schönmetzer S.I., Barcinone - Friburgi Brisgoviae - Romae 361976.

In der Theologie spricht man oft einfach nur vom "Denzinger".

Der "Denzinger" gehört zur literarischen Gattung der Enchiridien; er ist eine handbuchartige Sammlung von Quellentexten zum praktischen Studiengebrauch. In seiner heutigen Gestalt enthält er die wichtigsten Glaubensbekenntnisse und kirchlichen Lehrdokumente zu Fragen des Glaubens und der Sitten vom Anfang des 2. Jahrhunderts bis 1964, d.h. bis zu Beginn des Pontifikats von Paul VI. Die Texte sind in lateinischer, teilweise auch in griechischer Sprache abgefaßt.

Heinrich Denzinger, der Begründer des "Enchiridion", wurde am 10. Oktober 1819 in Lüttich geboren. Sein Vater war Philosophieprofessor. Durch die revolutionären Wirren um 1830 in Belgien sah sich die royalistisch gesinnte Familie Denzinger gezwungen, ins Exil zu gehen. Sie siedelte nach Würzburg über. Dort nahm Heinrich Denzinger das Studium der Philosophie auf und schloß es mit der Promotion ab. Schon während des Studiums beschloß Denzinger, Priester zu werden. 1838 trat er deshalb in das Klerikerseminar in Würzburg ein. 1844 erhielt er in Rom die Priesterweihe. 1848 folgt er dann einem Ruf an die Katholisch-Theologische Fakultät in Würzburg. Zunächst erhält er eine Professur für Exegese des Neuen Testaments. Sechs Jahre später übernahm er dort den dogmatischen Lehrstuhl.

Heinrich Denzinger war literarisch äußerst fruchtbar; wir verdanken ihm nicht nur mehrere Editionen, sondern auch Werke zur Dogmen- und theologischen Zeitgeschichte. Mit Ausnahme des nach ihm benannten Enchiridion sind aber alle Werke in Vergessenheit geraten.

Der "Denzinger", der nunmehr seit 135 Jahren existiert (1854 erschien die erste Auflage) ist dogmenhistorisch orientiert. Die Dokumente sind der Chronologie entsprechend angeordnet; außer bei den Glaubensbekenntnissen im ersten Teil stellen die einzelnen Pontifikate, von Clemens I. (ca. 90-100) bis Johannes XXIII. (1958-1963) und dem ersten Jahr des Pontifikats Paul VI. (1964), das Einteilungs- und Gliederungsprinzip dar.

In der ersten Auflage stellte Heinrich Denzinger 128 Dokumente zusammen; beim letzten handelte es sich um eine Ansprache Pius IX. von 1852 gegen die zivile Eheschließung, die bis zur 31. Auflage ständig mitabgedruckt wurde. Für den Zeitraum bis 1852 hat die letzte Ausgabe des Denzinger 202 Dokumente. Das "Enchiridion" von Denzinger ist in seiner Editionsgeschichte also stark angewachsen. Nach dem Tod von Heinrich Denzinger übernahm für die 7. und 8. Auflage Ignazius Stahl die Edition. Danach bestimmte der Jesuit Clemens Bannwart die Gestalt des "Denzinger". Mit der 10. Auflage legte er 1908 eine Neubearbeitung vor. Ab der 26. Auflage übernahm der Jesuit J.B. Umberg die Sammlung. Mit der 28. Auflage von 1952 erscheint Karl Rahner als Herausgeber. Er sieht bald ein, daß das Enchiridion völlig neu bearbeitet werden muß. Wegen seiner vielfältigen Verpflichtungen mußte er diese Arbeit aber abgeben. Mit der 32. Auflage von 1963 liegt der "neue Denzinger" (= DS) vor. Sein "Vater" ist der Jesuit Adolf Schönmetzer. 1956 erschien vom "alten Denzinger" eine spanische, 1957 eine englische Übersetzung.

Der DS ist bis heute unverändert geblieben. Er enthält neben den berücksichtigten Dokumenten instruktive Einleitungen zu den Texten und mehrere Indices. Der Registerteil umfaßt einen Bibelstellenindex, einen Index initiorum, d.h. einen Index der Dokumente, die nach ihren Initia bezeichnet werden, dann als Herzstück des Registerteils einen umfassenden, stark differenzierten systematischen Index und schließlich ein Personen- und Sachregister.

Für diejenigen, die der lateinischen Sprache nur in begrenztem Maße mächtig sind, gibt es schon seit längerem eine Quellensammlung, die dem DS in manchem ähnelt, aber nicht einfach seine Übersetzung ist. Diese Sammlung nennt man nach ihren ersten beiden Herausgebern den "Neuner-Roos" (= NR). Ihr Titel lautet:

J. Neuner / H. Roos, Der Glaube der Kirche in den Urkunden der Lehrverkündigung. Neubearbeitet von K. Rahner und K.-H. Weger, Regensburg 111983.
Die Sammlung von Neuner-Roos druckt wichtige Lehrdokumente des römisch-katholischen Glaubens in deutscher Übersetzung ab. Anders als der DS ist der NR nicht dogmenhistorisch, sondern systematisch orientiert. Er folgt in seinen ersten zehn Kapiteln in etwa der herkömmlichen Traktateneinteilung der katholischen Dogmatik. Der NR ist ein nützliches Hilfsmittel im dogmatischen Studium, er enthält allerdings nur einen Teil der im DS berücksichtigten Dokumente, was sich vor allem beim dogmatischen Spezialstudium bemerkbar macht.

Sowohl die zurückgehenden Lateinkenntnisse als auch die Grenze des NR machen eine vollständige zweisprachige Ausgabe des DS zu einem wissenschaftlichen Desiderat. Seit 1983 wird deshalb am Lehrstuhl für Dogmatik von Prof. Dr. Peter Hünermann an einer solchen Ausgabe gearbeitet. Dabei war von vornherein vorgesehen, den DS um wichtige kirchliche Lehrdokumente von 1964 bis in die Gegenwart zu ergänzen (Konstitutionen und Dekrete des 2. Vatikanischen Konzils und Enzykliken, Instruktionen etc. der Pontifikate von Paul VI. bis Johannes Paul II.).

Mit Unterstützung der Abteilung Literarische und Dokumentarische Datenverarbeitung am Zentrum für Datenverarbeitung (ZDV) der Universität Tübingen unter der Leitung von Prof. Dr. W. Ott wird mit TUSTEP eine zweisprachige Ausgabe des DS vorbereitet, die auf jeder Seite fortlaufend sowohl den emendierten originalsprachlichen wie den deutschen Text bietet, wobei Kolumnentitel, Überschriften, Einleitungen, Fußnoten und Indices (außer dem Index initiorum) nur in Übersetzung erscheinen.

Dazu wurde zunächst der bestehende griechisch-lateinische Textbestand mit dem KDEM-Omnifont-Leser des ZDV Tübingen erfaßt und für die Weiterverarbeitung bereitgestellt. Parallel dazu erfolgte die Eingabe der deutschen Übersetzung auf PC-Basis mit Hilfe von PC-Write, später von WordPerfect. Dabei wurden ASCII-Dateien erstellt und schon die wichtigsten Auszeichnungen für das Satzprogramm mit eingegeben. Anschließend erfolgte per Filetransfer die Bereitstellung der deutschen Übersetzung zur Weiterverarbeitung mit TUSTEP.

Die Übersetzung des DS ist, soweit möglich, streng wörtlich, da der deutsche Text nicht für sich stehen soll; ihm ist vielmehr die Aufgabe zugedacht, den Leser zum griechisch-lateinischen Text zurückzuführen. Die nur in deutscher Übersetzung erscheinenden Kolumnentitel, Überschriften, Einleitungen und Fußnoten wurden durchgesehen und überarbeitet - sowohl stilistisch als auch inhaltlich. Zur Zeit sind wir dabei, für die Ergänzungen von 1964 bis heute neue Überschriften und Einleitungen zu schreiben. Mit dem Abschluß des Projekts ist im Laufe des Jahres 1990 zu rechnen.

Technische Durchführung

Die Konzeption der Neuherausgabe des "Denzinger" sieht vor, die Aufteilung der Seite und ihr Schriftbild möglichst zu übernehmen, um so den Lesegewohnheiten der Benutzer entgegenzukommen. Daher soll der Originaltext des jeweiligen Dokumentes durch einen zweispaltigen Block ersetzt werden, der in der linken Spalte den Originaltext und in der rechten die Übersetzung enthält. Alle anderen Teile werden übersetzt, bleiben aber in ihrer Form erhalten. Trotz der angestrebten optischen Zweispaltigkeit wird doch nicht im technischen Sinne mit Spaltensatz gearbeitet, wozu die parallel zu setzenden Texte in einer Datei stehen müßten. Es ist vielmehr sinnvoller, die Texte getrennt zu erfassen und zu setzen und erst nach dem Satz zusammenzumischen; dadurch werden vor allem die Korrekturvorgänge erleichtert. Der Satz des deutschen Textes und der Fußnoten erstreckt sich also einspaltig über die volle Satzspiegelbreite, die Übersetzung der Dokumente wird jedoch soweit eingezogen, daß sich eine Spalte auf der rechten Hälfte des entsprechenden Textblocks ergibt. Mit diesem Schritt sind der Zeilenumbruch des deutschen Textes und der Seitenumbruch festgelegt.

Der gesondert gespeicherte Originaltext wird ebenfalls einspaltig gesetzt, jedoch mit einer Satzbreite, die etwas weniger als die Hälfte der gesamten Satzspiegelbreite beträgt. Dadurch ensteht eine fortlaufende Spalte auf der linken Hälfte der Seite, die aber schon den endgültigen Zeilenumbruch bestimmt.

Originaltext und deutscher Text sind nun so zu mischen, daß jeder Abschnitt parallel zu seiner Übersetzung gedruckt wird. Da die Übersetzung in der Regel länger ist als der Originaltext, ist sicherzustellen, daß die Dokumente und neue Absätze auf gleicher Höhe anfangen. Deshalb werden schon bei der Erfassung die entsprechenden Stellen als "Parallelstellen" gekennzeichnet und automatisch durchnumeriert. Parallelstellen gleicher Nummer gehören zusammen. Ein weiterer Programmschritt ermittelt nach dem Satz den vertikalen Abstand einer jeden Zeile vom jeweiligen Abschnittsanfang. Da für die automatische Weiterverarbeitung lediglich relevant ist, auf welcher Seite und in welchem Abstand vom oberen Seitenrand die Abschnitte jeweils beginnen (bei parallelen Abschnitten, die durch Seitenwechsel unterbrochen werden: die wievielte Zeile eines Abschnitts des Originaltextes als erste auf der neuen Seite stehen muß), werden diese Werte (durch das Programm KOPIERE mit automatisch erzeugten Textteil-Austausch-Parametern) in diejenigen Zeilen des Originaltextes eingetragen, die den entsprechenden deutschen Zeilen genau parallel liegen. Nach einem erneuten Satz des Originaltextes ergibt sich die Positionierung der Absätze an jeweils der Stelle der Seite, an der sie vom deutschen Text verlangt werden. Die so gesetzten Zieldateien des deutschen und des Originaltextes werden mit einem in TUSTEP erstellten Makro zusammengemischt.

 
(Die Kurzfassungen der Referate wurden von den Referenten zur Verfügung gestellt.)


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Übersicht über die bisherigen Kolloquien
tustep@zdv.uni-tuebingen.de - Stand: 10. Oktober 2003