Aus dem Protokoll des 66. Kolloquiums über die Anwendung der
Elektronischen Datenverarbeitung in den Geisteswissenschaften
an der Universität Tübingen vom 10. Februar 1996

 

Monika Albrecht, Dirk Göttsche (Münster)

Ingeborg Bachmanns "Todesarten"-Projekt.
Elektronische Vorbereitung und Erschließung der kritischen Edition

Daß die späte Prosa der österreichischen Autorin Ingeborg Bachmann mehr als zwanzig Jahre nach ihrem Tod weiterhin und erneut das lebendige und kontroverse Interesse sowohl der lesenden Öffentlichkeit wie auch der Literaturwissenschaft findet, dürfte wesentlich mit jener Themenstellung zusammenhängen, die unter dem Projekttitel "Todesarten" im Mittelpunkt ihrer literarischen Arbeit seit 1962/63 stand: die Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Formen geistiger, psychischer und sozialer Gewalt im Sinne einer literarischen Bewußtseins- und Sittengeschichte der Zeit. Auf dem Hintergrund weit zurückreichender Vorarbeiten gestaltet Ingeborg Bachmann in den "Todesarten"-Texten Spannungsfelder von alltäglicher Lebenswelt und Zeitgeschichte, Zusammenleben der Geschlechter und gesellschaftlichem Bewußtsein im Zeichen fundamentaler Verletzungserfahrungen. Die erzählenden Prosatexte aus den Jahren 1962 bis 1973 sind durch das Nacheinander und Nebeneinander der einzelnen Werkvorhaben und die vielfältige Wiederaufnahme und Variation rekurrenter Themen, Motive, Situationen und Figuren thematisch, motivisch und genetisch aufs engste miteinander verflochten. Einige dieser Texte sollten der Intention der Autorin nach darüber hinaus einen engeren "Todesarten"-Zyklus bilden, als dessen "Ouvertüre" sie ihren Roman "Malina" konzipiert hat.

Die kritische Edition des "Todesarten"-Projekts rekonstruiert in diesem Sinne den engen Zusammenhang der Einzeltexte in einem übergreifenden literarischen Arbeitsprozeß, dessen Stationen und Ergebnisse in wesentlichen Teilen zu Lebzeiten unveröffentlicht blieben und aufgrund ihres fragmentarischen Charakters allein in ihrem Entstehungszusammenhang angemessen darzustellen sind. Es handelt sich neben den zu Lebzeiten veröffentlichten Werken - dem Roman "Malina", den "Simultan"-Erzählungen und dem Prosatext "Ein Ort für Zufälle" - um die nachgelassenen Fragmente von drei weiteren Romanen ("Todesarten", "Das Buch Franza", Goldmann/Rottwitz-Roman), mehreren Erzählungen und anderen Prosatexten sowie um die Fragmente von drei weiteren Romanen und Erzählungen aus der unmittelbaren Vorgeschichte des "Todesarten"-Projekts.

Etwa die Hälfte des literarischen Nachlasses (5317 Blatt bzw. 6257 Nachlaßtextseiten von insgesamt ca. 10.000) ist dem "Todesarten"-Projekt zuzurechnen. Die Nachlaßtexte entstanden ganz überwiegend auf der Schreibmaschine. Sie reichen in Umfang und Komplexität von ersten Entwürfen bis zu großen Reinschriftfassungen mit mehreren Durchschlägen und ggf. voneinander abweichenden Korrekturschichten. Neben den Drucken und dem schriftlichen Nachlaß konnten darüber hinaus die von den Rundfunkanstalten aufgezeichneten Lesungen von "Todesarten"-Texten der Edition zugrunde gelegt werden.

Die Texte des "Todesarten"-Projekts sind den Prinzipien einer historisch-kritischen Edition entsprechend ihrer Entstehungsfolge nach ediert, sofern durch die Autorin nicht bestimmte Konstellationen vorgegeben sind ("Simultan"-Band). Auch das überlieferte literarische Material der einzelnen Texte ist dem historisch-kritischen Prinzip der Strukturgenese nach angeordnet, d.h. der Leser folgt der Textgenese durch die Entwürfe und Vorstufen gegebenenfalls bis zu der edierten Hauptfassung der Nachlaßtexte bzw. der edierten Druckfassung der zu Lebzeiten veröffentlichten Werke. Entwürfe und Vorstufen mit eigenständiger ästhetischer Struktur werden mit eigenem genetischem Variantenapparat separat ediert; Vorstufen, deren ästhetische Struktur sich der edierten Haupt- oder Druckfassung weitgehend nähert (späte Reinschriften, Abschriftkorrekturen, Umbruchkorrekturen usw.), werden dem edierten Text in der Form von Fassungsapparaten zugeordnet. Diesen genetischen Fassungsapparaten wird gegebenenfalls ein Druckvariantenapparat als erster von mehreren Apparaten vorgeordnet. Die Variantendarstellung erfolgt nach den Prinzipien eines synoptischen Prosa-Apparats, dessen Darstellungsmittel allerdings der Arbeitsweise Ingeborg Bachmanns entsprechend modifiziert werden mußten. Der synoptische Prosa-Apparat verbindet die Möglichkeit einer 'vertikalen' Lektüre der Entstehung einzelner Werkstellen mit der einer 'horizontalen' Lektüre textstufenspezifischer Überarbeitungsvorgänge. Die Option für einen synoptischen Prosa-Apparat mit einem differenzierten diakritischen Zeicheninventar führte nach der anfänglichen Verwendung anderer Programme im Laufe der Editionsvorbereitung aus verfahrens- wie aus satztechnischen Gründen zu der Entscheidung für eine Weiterarbeit mit TUSTEP, während die Vorstellung einer späteren elektronischen Erschließung der kritischen Edition von Anfang an eine Rolle spielte.

Angesichts der beschriebenen Überlieferungssituation, einer fehlerhaften Nachlaßordnung und einer ungenügenden Editionslage lag der Schwerpunkt der Editionsvorbereitung in der Arbeit am literarischen Nachlaß. Eine sorgfältige kodikologische Analyse der über 10.000 Überlieferungsträger im Hinblick auf Schreibmittel, Schreibmaschinenschriftbilder, Papiersorten, Klammerungen, Heftungen und andere besondere Kennzeichen, die für die Rekonstruktion von Blattfolgen und Textzusammenhängen von Belang sein konnten, wurde in einer LARS-Datenbank gespeichert und steht im Ausdruck jetzt auch in der Österreichischen Nationalbibliothek (ÖNB) in Wien sowie im Germanistischen Institut der Universität Münster zur Verfügung. Die Auswertung dieser Daten für die "Todesarten"-Texte wurde später in die Überlieferungsbeschreibung der kritischen Edition sowie in eine neue Teilregistratur des literarischen Nachlasses von Ingeborg Bachmann aufgenommen. Eine weitere LARS-Datenbank, welche die bereits früher von Robert Pichl aufgenommene Bibliothek Ingeborg Bachmanns erschließt, ist in Vorbereitung.

Parallel zu der kodikologischen Nachlaßanalyse wurden die Textaufnahme und die eigentliche historisch-kritische Rekonstruktionsarbeit vorangetrieben, also die Ausgrenzung und Datierung der Einzeltexte in ihren sukzessiven Textstufen aufgrund des Nachlaßbefunds sowie ergänzender Quellenzeugnisse (Verlagsbriefwechsel, 'Werkstattäußerungen', Lektürespuren u.a.) und die entsprechenden Vorbereitungen des textkritischen sowie des Sachkommentars. Die Textaufnahme erfolgte in dem Programm WORD 5.0 - für bereits im Druck vorliegende Texte im Hinblick auf Druckvarianten durch Einscannen, für die Texte und Fassungen aus dem schriftlichen Nachlaß sowie die von Rundfunkanstalten aufgezeichneten Lesungen durch Transkription. Die Transkription folgte für die Reinschriftfassungen bereits der Textgenese; sukzessive Textstufen und deren einzelne Fassungen wurden also auf der Grundlage der Vorstufen-Dateien transkribiert. Da es sich bei den Texten aus dem schriftlichen Nachlaß überwiegend um Typoskripte mit zum Teil sehr zahlreichen Verschreibungen und teils mechanisch, teils durch Ingeborg Bachmanns Arbeitsweise bedingten Eigentümlichkeiten handelt, die auf herkömmliche Weise nicht zu erfassen waren und in jedem Einzelfall der kritischen Bewertung bedurften, mußte für die Transkription der Nachlaßtexte auf der Grundlage gängiger diakritischer Notationsweisen ein differenzierteres Verzeichnungssystem entwickelt werden, das z.B. zwischen vertauschenden, ersetzenden, tilgenden oder einfügenden Emendationen von Autoren- oder Editorenhand unterscheidet, besondere Notationen für Sofortvarianten mit und ohne Tilgung des aufgehobenen Texts sowie für Satzgrenzen-Varianten vorsieht. In Anlehnung an die Klagenfurter Edition des Nachlasses von Robert Musil wurden im Hinblick auf eine spätere elektronische Erschließung der Edition nur solche Zeichen gewählt, die auf PC-Tastaturen zur Verfügung stehen.

Die große Zahl von typographischen Verschreibungen und anderen transkriptionsrelevanten Eigentümlichkeiten der Nachlaßtexte, die gleichwohl keine genetischen Varianten darstellen, zwang im Interesse der Darstellung der Textgenesen und ihrer Lesbarkeit im weiteren zu der Entscheidung, diesen elementaren Bereich der Textkonstitution (mit der Ausnahme von Grenzfällen) aus der Buch-Edition auszuklammern und durch eine parallele 'Transkriptionsedition' ausschließlich elektronisch zu erschließen. Durch die Verzweigung zwischen Transkriptionsedition und kritischer Buch-Edition bleibt einerseits der historisch-kritische Anspruch einer Transparenz aller editorischen Entscheidungen erhalten, andererseits kann sich die Buch-Edition ganz auf die Rekonstruktion und Darbietung der Texte in ihrer Genese konzentrieren, und deren Verhältnisse sind im "Todesarten"-Projekt oft kompliziert genug. Nach der Drucklegung der kritischen Edition wird nun eine umfassende CD-ROM-Edition vorbereitet, die nicht nur die Transkription des "Todesarten"-Nachlasses, sondern auch das Material der Buch-Edition sowie zusätzliche geeignete Dokumente elektronisch erschließen und für die komplexen Recherchen literaturwissenschaftlicher Arbeit aufbereiten soll.

Das gesamte, in WORD aufgenommene Textmaterial bestand in der ursprünglichen Form aus Einzelblatttranskriptionen; ein Nachlaß-Blatt war eine WORD-Datei. In dieser Arbeitsphase war zum einen geplant, zusätzlich zur Edition diese Transkriptionen der ÖNB in einer dem Nachlaßmaterial entsprechenden Form auf Disketten zur Verfügung zu stellen. Zum anderen war der Nachlaß zu Projektbeginn noch weitgehend ungeordnet, die Textzusammenhänge in fortlaufenden Blättern standen nur zum Teil fest. Daher kam es bei der inhaltlichen Arbeit immer wieder vor, daß neue Blattfolgen, also zwei oder mehr zusammengehörige Nachlaßblätter, die in eine Entwurfsfolge gehörten, entdeckt wurden. Diese Entdeckungen nahmen naturgemäß im Verlauf der Arbeit immer mehr ab, Texteinheiten kristallisierten sich heraus und übriggebliebene Einzelblätter stellten sich als das heraus, was sie bis zuletzt blieben, Fragmente eines von Textverlust betroffenen Entwurfszusammenhangs. Erst nachdem die genetische Rekonstruktion der "Todesarten"-Texte abgeschlossen war, erfolgte die Zusammenführung der Einzelblatttranskriptionen zu endgültigen Texteinheiten. In einem nächsten Schritt waren Rohfassungen der späteren Apparattexte aus den Transkriptionsfassungen zu erstellen, wobei Korrekturmittel-Siglen in Korrekturschicht-Siglen verwandelt, eindeutige Verschreibungen entfernt und alle anderen nicht als genetische Varianten bewertbare Verzeichnungen bereinigt wurden. Diese Rohapparat-Fassungen sowie die völlig bereinigten Lesetext-Fassungen wurden nach TUSTEP konvertiert. Dabei waren zunächst geringfügige Verständigungsprobleme zwischen WORD und TUSTEP zu beheben, die einige für die Transkription gewählte diakritische Zeichen betrafen und die im Rahmen von KOPIERE gegen die entsprechenden TUSTEP-Zeichen ausgetauscht werden mußten.

Es stellte sich allerdings heraus, daß das Konvertierungsprogramm erhebliche Schwächen aufweist. Als problematisch erwiesen sich zunächst WORD-Fußnoten: Wenn ein Text eine größere Anzahl von Fußnoten enthält, ist damit zu rechnen, daß diese gelegentlich an offenbar beliebige andere Positionen verrückt werden. In solchen Fällen erscheinen auch mehrere Fußnoten hintereinandergereiht. Der Fußnotentext - entweder Dokumentation komplexer Verschreibungen oder Herausgebertext - war jedoch in der letzten Arbeitsphase an den WORD-Dateien eine direkte Vorstufe zum Apparattext. Fußnotentext aus einer WORD-Datei, der nach der Konvertierung im Vergleich mit dem Lesetext die für den Apparateintrag gewünschte Abweichung auswarf, mußte also durchgehend kritisch geprüft und ggf. restauriert werden. Diese Zusatzarbeit konnte allerdings - wie in den meisten anderen Fällen von Nacharbeiten - dazu genutzt werden, die noch anstehenden letzten Kürzungen und Standardisierungen vorzunehmen. Ein weiteres Konvertierungsproblem betraf Formatierungen im Kommentartext oder ebenfalls in ehemaligen Fußnoten zum edierten Text, da letztere in WORD häufig bereits kursiv gesetzt waren. Auch bei diesem Problem galt, daß Formatierungen problemlos übersetzt wurden, wenn sie vereinzelt und relativ selten waren, bei größeren Ansammlungen jedoch traten fast immer Fehler auf. Beispielsweise wurden die TUSTEP-Codierungen für kursiven Text vervielfältigt und als Zeichenreihen (#/+ #/- #/+ #/- etc.) irgendwo in den Text gesetzt. Varianten dieses Problems waren Anhäufungen von (z.B.) #H: und #G: sowie Kombinationen mit @. Es stellte sich jedoch zum Glück heraus, daß nicht ständig neue überflüssige Zeichenfolgen kreiert wurden, sondern daß diese nach kurzer Zeit eingekreist werden konnten. Schönheitsfehler dieser Art ließen sich dann im Editor mittels 'Austausch gegen nichts' beheben.

Der eigentliche Schwerpunkt der Arbeit mit TUSTEP lag in der Gewinnung, Bearbeitung und Korrektur der Apparattexte mit VERGLEICHE. Es wurden einerseits die edierten Hauptfassungen (bzw. Druckfassungen) mit ihren unmittelbaren Vorstufen verglichen und andererseits die unterschiedlichen Fassungen der einzelnen, jeweils in einem Apparat dargestellten Textstufen. Besonders bei der Erstellung der Apparate zu Überlieferungsvarianten ergab sich oft ein erfreulicher Korrektureffekt hinsichtlich der Lesetexte. Im Vergleich der für den edierten Text gewählten Fassung mit der der verschiedenen Drucke, Vorabdrucke etc. zeigten sich nicht nur die gesuchten Druckvarianten, sondern gelegentlich auch Eingabefehler beim Lesetext. Umgekehrt konnten - meist im Vergleich mit den Transkriptionsfassungen der letzten Reinschriften - Fehler in bislang gültigen Druckfassungen eruiert und auf ihre Ursache hin untersucht werden.

Probleme auf dieser einfachen Ebene des Vergleichs von Fassungen tauchten jedoch auf, wenn große Abweichungen zwischen den Vergleichstexten vorlagen, etwa wenn der literarische Nachlaß einen Umbruch mit Textlücken überliefert, diese jedoch nach dem Einscannen in der fortlaufenden Datei offengeblieben waren. Hier waren die Grenzen der Vergleichbarkeit zu berücksichtigen und durch Partitionierung der Texte und anschließendes Zusammenführen auszugleichen. Probleme mit den Grenzen der Vergleichbarkeit in weit größerem Ausmaß ergaben sich naturgemäß bei komplizierten Varianten, normalerweise also in den frühesten noch in den Apparat eingehenden Reinschriftfassungen eines Textes. Hier waren die oft sehr komplexen Varianten dafür verantwortlich, daß VERGLEICHE den Dienst verweigerte. Die Texte mußten in solchen Fällen in tatsächlich vergleichbare Stücke zerlegt werden, die einzeln bearbeitet wurden, wobei besonders komplexe Textpartien gelegentlich auch ganz herausgenommen und Wort für Wort, Zeile für Zeile per Hand verglichen werden mußten.

Ein generelles Problem bei der Erstellung der Apparattexte war in dem zu edierenden Material selbst begründet, d.h. aufgrund der Tatsache, daß ein großer Teil der genetischen Varianten besonders in den frühen Stufen sich über einen Satzteil, einen ganzen Satz oder einen ganzen Absatz erstrecken. Ein Beispiel aus dem ersten ägyptischen Kapitel des FRANZA-Romans, das exemplarisch das Problem illustriert: Der Lesetext in der edierten Hauptfassung lautet: "So ritten sie auf den Eseln von den Feldern herein", die später in Apparat 5 eingehende Fassung hatte in der Typoskriptgrundschicht: "So waren sie auf den Eseln von den Feldern hereingeritten", die Korrekturschicht stellt den letztgültigen Text her. Das Problem liegt auf der Hand: "ritten herein" wird zu "waren hereingeritten" und stellt eine einzige Variante dar, die vom Programm jedoch, da der dazwischenliegende Text "sie auf den Eseln von den Feldern" identisch ist, als zwei Abweichungen ausgegeben wird. Der spätere Apparateintrag mußte die Variante inhaltlich zusammenfassen und nicht die beiden technischen Abweichungen verzeichnen. Das Problem betraf unmittelbar die praktische Apparatgewinnung aus den Vergleichstexten. Die vom Vergleiche-Programm indizierten Varianten wären nur in einem Teil der Fälle mittels hinzugefügter Apparatcodierung direkt in Apparattexte überführbar gewesen, beispielsweise bei Einzelwortersetzungen, und selbst bei diesen scheinbar einfachen Fällen stellte sich im weiteren Verlauf der Arbeit heraus, daß im Grunde für jeden einzelnen Fall, für jeden einzelnen Apparateintrag inhaltliche Entscheidungen zu treffen waren, nämlich dann, wenn Einzelwortersetzungen bzw. Satzgrenzenänderungen nicht vollständig diakritisch im Apparat erscheinen sollten, sondern mit den notwendig werdenden Abkürzungen - z.B. Einf. KS1 oder Sg. [n./<,>] - verzeichnet wurden. Varianten, die sich über einen Satzteil oder Satz erstreckten, waren dagegen schon naturgemäß nur durch Einzelfallprüfung zu ermitteln. Überlegungen dahingehend, Varianten dieser Art 'zusammenzubinden', also z.B. die Blanks zwischen den Wörtern des variierten Bereichs durch eindeutige Zeichenfolgen zunächst zu ersetzen und nachher wieder einzusetzen, führten schnell zu der Einsicht, daß auch dann auf eine jeden Einzelfall betreffende Prüfung und Markierung der inhaltlichen Grenzen nicht zu verzichten gewesen wäre. Diese Notwendigkeit editorischer Entscheidung für jeden potentiellen Apparateintrag führte zu dem Entschluß, die Apparattexte durchgängig per Hand auf der Grundlage der Textvergleiche zu erstellen. Dabei wurde jeder einzelne Apparattext in einer gesonderten Datei bearbeitet, bei einem Text mit drei Apparaten waren also drei identische Lesetexte mit jeweils unterschiedlichen, der Textstufe entsprechenden Apparateinträgen zu versehen. Diese Apparattexte wurden anschließend von der Firma pagina zusammengeführt und für den Satz aufbereitet.

Während Apparatcodierungen und einige andere Satzanweisungen bereits als solche eingegeben wurden, sind auf dem weiteren Weg zur Edition viele andere Formatierungen nur als eindeutig identifizierbare Kennzeichnungen ausgewiesen und von pagina weiterbearbeitet worden. Der Grund dafür war neben dem Zeitdruck nicht zuletzt die Tatsache, daß keine Möglichkeiten zur eigenen Satzsimulation zur Verfügung standen. Kennungen solcher Art wurden besonders bei dem Querverweissystem verwendet, das bandübergreifende Verweise sowohl vom edierten Text zum textkritischen Kommentar und zum Sachkommentar vorsieht als auch solche innerhalb der Kommentare und auf andere Verweise bereitstellt. Eine Reihe von Systematisierungsproblemen - die Informationsverteilung in den Kolumnentitel, die Hierarchie der Überschriften, der Tabulatorsatz bei Einrückungen und die Gestaltung von Übersichten - sind in der letzten Arbeitsphase in Zusammenarbeit mit pagina und dem Verlag gelöst worden.


aus: Protokoll des 66. Kolloquiums über die Anwendung der EDV in den Geisteswissenschaften am 10. Februar 1996