Aus dem Protokoll des 69. Kolloquiums über die Anwendung der
Elektronischen Datenverarbeitung in den Geisteswissenschaften
an der Universität Tübingen vom 8. Februar 1997

 

Susanne Gillmayr-Bucher (Innsbruck)

Biblische Aspekte in moderner Lyrik:
eine computerunterstützte Analyse intertextueller Bezüge

1. Bibel und Literatur

Die Bibel ist in unserer Kultur bis heute eines der bedeutendsten Bücher. Als Literatur betrachtet ist die Bibel eines der am meisten gedeuteten und am meisten literarisch ausgeschöpften Bücher. So fanden und finden Bilder und Bildwelten, Motive und Themen bis hin zu sprachlichen und rhetorischen Elementen Eingang in Literatur, bildende Kunst und Musik. Diese künstlerische Auseinandersetzung mit der Bibel bildet einen wesentlichen Teil der biblischen Tradition und eine wichtige Form der Vermittlung biblischer Erzählungen und Inhalte. Zugleich zeigt sich in der Überlieferung biblischer Stoffe innerhalb der Künste eine Interpretationsgeschichte der Bibel, insofern jede Aktualisierung und Aufnahme von biblischen Stoffen immer eine eigene Position zu den aufgenommen Texten beziehen muß, sei sie kritisch distanziert oder bejahend und verstärkend. Mit Blick auf die künstlerischen Darstellungen wird deutlich, daß für ein adäquates Verständnis derselben ein hohes Ausmaß an Bibelkenntnis unverzichtbar ist.

Die Intertextualitätsdiskussion

Die Frage nach den Beziehungen zwischen Bibel und Kunst ist keine neue Fragestellung, sie wird jedoch in den letzten Jahren im Zusammenhang mit der Intertextualitätsdiskussion verstärkt aufgegriffen und in diesen literaturtheoretischen Rahmen gestellt. Der Begriff Intertextualität wird in diesem Zusammenhang allerdings kaum in dem von Julia Kristeva ursprünglich eingeführten Sinn verwendet, als allgemeine Texttheorie, die zugleich Literatur- und kulturkritische Ziele verfolgt, sondern orientiert sich mehr an semantisch-hermeneutisch ausgerichteten Positionen. (1) Die Einschränkungen im Vergleich zum umfassenderen Konzept von Kristeva betreffen einerseits den Textbegriff, der auf literarische Texte beschränkt wird, andererseits wird versucht, das Konzept der Intertextualität handhabbar zu machen, d.h. ein Instrumentarium zur Beschreibung intertextueller Verfahren zu erarbeiten. (2) "Intertextualität" wird in der Folge als ein Verfahren des Bedeutungsaufbaus literarischer Werke und damit als ein wesentlicher Bestandteil des Textverständnisses betrachtet.

Die wechselseitigen Beziehungen zwischen den Texten

Wichtig für das Verständnis der Zusammenhänge zwischen Texten ist die Betrachtung eines jeden einzelnen Textes im Zusammenhang mit seiner Situiertheit im bereits vorhandenen Universum von Texten. Jeder neue Text verändert die Konstellation aller Texte, füllt Leerstellen und schafft gleichzeitig neue. (3) Die Konfiguration der Texte, innerhalb derer ein Text entsteht, ist daher nie identisch mit der Konfiguration, in der die LeserInnen den Text vorfinden. Vereinfachend läßt sich der kommunikative Rahmen der Beziehungen zwischen biblischen und literarischen Texten folgendermaßen darstellen:

Abbildung 1: Beziehungen zwischen biblischen und literarischen Texten

Die Bibel findet als bereits rezipierter Text Eingang in einen literarischen Text, insofern die Auseinandersetzung eines/einer Autors/Autorin mit Texten sowie deren Interpretation in ihre Literatur mit einfließt oder bewußt mithineingenommen wird. Die Auseinandersetzung der LeserInnen des literarischen Textes erfolgt sowohl mit diesem Text als auch mit den diesem vorausliegenden Prätexten. Wird dabei eine Beziehung zweier Texte festgestellt, so folgt als eigenständig kreativer Akt ein neues Verständnis eines oder beider Texte. Prinzipiell ist es daher möglich, jedes Werk mit jedem zu korrelieren. Meist jedoch werden intertextuelle Relationen dadurch gelenkt, daß ein Text selbst eine oder mehrere intertextuelle Relationen anzeigt. Intertextualität ist folglich keine textimmanente Komponente, trotzdem aber kann jedes Element eines Textes einen intertextuellen Leseprozeß auslösen.

Die Markierung

Welche Elemente im Leseprozeß von den LeserInnen als Verweise auf andere Texte wahrgenommen werden, hängt sowohl von der Art der Markierung der Verweise (4) als auch vom jeweiligen Kenntnisstand der LeserInnen ab. Eine Markierung ist kein notwendiges Element für das Zustandekommen von intertextuellen Bezügen. Vor allem bei Verweisen auf Literatur, deren Kenntnis allgemein vorausgesetzt wird, wie z.B. bei den als "Klassiker" geltenden Werken, fehlen diese expliziten Hinweise oft. Die "Signalschwelle", die überschritten werden muß, damit etwas als Bezug identifiziert wird, ist dann vom jeweiligen Kenntnisstand der LeserInnen abhängig. Bevor es daher möglich ist, die einzelnen Bezüge zu klassifizieren, ihre Funktion zu bestimmen und für eine Interpretation fruchtbar zu machen, ist es notwendig, ein ideales Lese-Modell zu entwickeln, das das Auffinden möglichst aller Verweise in einem literarischen Werk ermöglicht.

2. Computerunterstützte Analyse

Der Rekonstruktion eines idealisierten Leseprozesses läßt es sich mit Hilfe von Computerprogrammen einen wesentlichen Schritt näher kommen. (5) Sollen die Beziehungen zwischen den Texten möglichst unabhängig vom Kenntnisstand der jeweiligen LeserInnen erhoben werden, so bietet der Computer als Arbeitsinstrument eine Möglichkeit, das Erkennen und Auffinden von Bezügen zu erleichtern. Mit Hilfe von Computerprogrammen können große Datenmengen in kurzer Zeit erhoben, verglichen und sortiert werden. Darüber hinaus ermöglicht der Einsatz von Computerprogrammen eine Beschränkung des "Wissens", das jede/r LeserIn mitbringt, das damit jeden Lesedurchgang bestimmt und in der Folge die Auswahl aus den grundsätzlich möglichen Interpretationen festlegt. Die Daten können mit Hilfe von Computerprogrammen auf dem Hintergrund von genau festgelegtem Wissen in mehreren Untersuchungsschritten analysiert werden, wodurch viele Elemente und Kombinationsmöglichkeiten deutlicher hervortreten. Erst anschließend ist es dann Aufgabe des/der InterpretIn, die Befunde auf ihre Sinnhaftigkeit hin zu überprüfen und diese in den Prozeß der Auseinandersetzung mit den biblischen sowie den literarischen Texten miteinzubeziehen. In diesem Interpretationsprozeß bleibt die Rekonstruktion transparent, die Ergebnisse werden für andere nachvollziehbar, kritisierbar sowie interpretierbar.

Die verschiedenen Arten von Verweisen

Die Umsetzung des Erkennungsprozesses in ein Computerprogramm erfordert, daß spontane Assoziationen, die beim Lesen Verbindungen zwischen Texten herstellen, in nachvollziehbare Einzelschritte aufgegliedert und anschließend automatisiert werden können. (6)

Ausgangspunkt für die Überlegungen zur automatisierten Befunderhebung sind bekannte Formen der Bezüge zwischen Texten, wie z.B. Zitat, Paraphrase, Allusion. Allen Diskussionen um die Abgrenzung oder Klassifikation dieser Relationen ist die Annahme gemeinsam, daß der Bezug zum Prätext durch (mindestens) ein Textelement ausgelöst wird. (7)

Die eindeutigste Form dieser Beziehung ist das Zitat. Im strengen Sinn besteht ein Zitat aus der exakten Übernahme einer Wortfolge, d.h. einer identischen Zeichenkette. Neben dieser engen Definition müssen, um den literarischen Texten gerecht zu werden, auch variierte Wiederaufnahmen von Wortfolgen als Zitat betrachtet werden. (8) Nach Plett gehört es sogar zur Eigenart literarischer Texte, daß diese ihre Vorlage umgestalten. Addition, Subtraktion, Substitution, Permutation, Wiederholung von Textelementen wären als einige der möglichen Variationen zu nennen. (9) Diese Formen der Umstellung und Erweiterung des genauen Wortlautes eines Zitats gehen fließend in die freieren Beziehungen zwischen Texten, Paraphrase und Anspielung, über. Der Unterschied im Hinblick auf die Erkennbarkeit dieser Bezüge besteht darin, welche und wieviele Elemente im Text für die Markierung einer Beziehung zwischen Texten als konstitutiv erachtet werden.

Die Elemente

Als Elemente, die als Grundlage für einen automatisierten Vergleich von Texten dienen, werden einzelne Wörter verwendet. Für eine automatisierte Befunderhebung reicht es dabei jedoch nicht aus, nur die vorliegenden Texte zu vergleichen, vielmehr ist es notwendig, die Vielfalt der verschiedenen Wortformen zu reduzieren und auf ihre grammatikalischen sowie inhaltlichen Grundformen zurückzuführen.

Als erstes wird jede flektierte Wortform auch in ihrer grammatikalischen Grundform (Lemma) notiert. In diesem Arbeitsschritt werden ferner homographe Wortformen der jeweils inhaltlich entsprechenden Grundform zugeordnet sowie Funktionswörter zu einer Grundform zusammengefaßt. Eine weitere Vereinheitlichung erfolgt auf inhaltlicher Ebene, indem synonyme Wörter einer Bedeutungsform zugeordnet werden. (10) Poliseme und homonyme Wörter werden dabei differenziert, umgangssprachliche Ausdrücke durch Hochsprache ersetzt. Ebenso werden Substantiv-Komposita in ihre Bestandteile aufgelöst, um für die automatisierten Suchen einzeln berücksichtigt werden zu können.

Darüber hinaus ist es notwendig, die Wörter hinsichtlich ihrer Wichtigkeit für einen Bezug zwischen Texten zu differenzieren. Funktionswörter wirken sich auf die Wahrnehmung einer Relation anders aus als Eigennamen oder typisch biblische Begriffe, wie z.B. Hoherpriester, Speiseopfer, Laubhüttenfest etc.

Bevor die Texte miteinander verglichen werden, wird auf diese Weise jedes Wort mit zusätzlichen Informationen ausgestattet.

Ein Beispiel:

Flektierte Wortform Lemma inhaltl. Grundform Klassifikation
der der,die,das der,die,das f.w.
spazierten spazieren gehen norm.
Weisungen Weisung Gebot norm.
Hoherpriesters Hoherpriester Priester typ.

Für die folgenden Suchen werden diese Daten in Form von Konkordanzen gespeichert. (11)

Die automatisierte Suche

Die auf diese Art aufbereiteten Daten erlauben differenzierte Textvergleiche. Die Suchen werden so gestaltet, daß für jeden Suchlauf vier Vorentscheidungen frei gewählt werden können.

Die Textgrundlage: Diese Auswahl entscheidet darüber, welche Ebene der Aufbereitung durchsucht wird: die flektierten Wortformen, Lemmata oder inhaltliche Grundformen.

Die Klassifikation: Die Angabe, welche Klasse von Wörtern berücksichtigt werden soll, erlaubt es z.B., Funktionswörter in einem Suchlauf unberücksichtigt zu lassen oder ausschließlich nach jenen Übereinstimmungen zu suchen, die mindestens einen typisch biblischen Begriff enthalten.

Der Bereich der Suche: Der Suchbereich legt die Größe der verglichenen Texte fest. Aufgrund der unterschiedlichen Textgrößen von Bibeltext und Gedichttext ist es notwendig, diese für einen Vergleich in kleinere Bereiche zu unterteilen. Nur so kann ein Bezug zu einem konkreten Bibeltext hergestellt werden, (12) oder bei längeren Gedichten ein Abschnitt des Gedichts einem Bibeltext zugeordnet werden. Bei einer Einschränkung der Bereiche auf beispielsweise 50 Wörter aus dem Bibeltext und 40 Wörter des Gedichts werden übereinstimmende Wörter nur dann als Ergebnis gewertet, wenn diese innerhalb von 40 Wörtern im Gedicht und innerhalb von 50 Wörtern in einem biblischen Texten vorkommen.

Die minimale Übereinstimmung: Erstes Kriterium für die automatische Erkennung eines Bezugs ist die Anzahl der übereinstimmenden Wörter in Relation zu dem verglichenen Textabschnitt. Je mehr übereinstimmende Wörter in einem Textabschnitt vorkommen, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, daß eine Beziehung zwischen den Texten vorliegt. Ein wörtliches Zitat z.B. weist eine Übereinstimmung von 100 % auf. Ein weiteres Kriterium ist die Übereinstimmung wiederholter Wörter. Wenn ein im Prätext häufig gebrauchtes Wort auch in einem Folgetext mehrfach aufgenommen wird, ist das ein verstärkter Hinweis auf eine Beziehung der beiden Texte. Diese Art der Übereinstimmung kann ähnlich den Klassifikationen als Einschränkungskriterium gewählt werden; ein Ergebnis kann beispielsweise nur dann ausgegeben werden, wenn mindestens ein Wort solch eine wiederholte Übereinstimmung aufweist.

Die Auswertung der Ergebnisse

Abhängig davon, wie die Vorentscheidungen für einen Suchlauf gesetzt wurden, fallen die Ergebnisse unterschiedlich umfangreich aus. Suchläufe, die Ergebnisse produzieren, die alle übereinstimmenden Wörter zwischen Gedicht und Bibel auflisten, bis hin zu solchen, die ausschließlich wörtliche Zitaten ausgeben, lassen sich formulieren. Damit wird schon deutlich, daß die Ergebnisse der Suchläufe keine fertigen Ergebnisse in dem Sinn sind, daß sie eine endgültige Liste aller Beziehungen zwischen Texten erstellen, sie bieten vielmehr eine Auswahl an möglichen Beziehungen zwischen verschiedenen biblischen Texten und Gedichten bzw. Abschnitte von Gedichten an, die für eine Interpretation herangezogen werden können. Welche davon dann ausgewählt werden, hängt von den jeweiligen InterpretInnen ab, die eine reflektierte Auswahl aus dem Datenmaterial treffen.

3. Beispiele

An drei Beispielen sollen im folgenden einige ausgewählte Ergebnisse der computerunterstützten Befunderhebung dargestellt werden.

Eva Zeller, Der 151. Psalm

Dieses Gedichts enthält bereits im Titel einen eindeutigen Verweis auf die Bibel, das Buch der Psalmen, jedoch weist die Zählung auf eine Fortsetzung des biblischen Psalters hin.

Ein Lied zu singen  
zwischen Einnahme der Schlaftablette  
und ihrer Wirkung  
     
Und ob ich schon ==> und ob ich schon
meine Hofrunde drehe    
im finstren Tal ==> im finstren Tal (Ps 23,4)
im Gleichschritt    
mit geschorenen Schatten    
     
so rechne ich doch    
mit Dir    
bei Wasser und Brot- ==> bereitest mir einen Tisch (Ps 23,5)
brechen    
Du bereitest meine Flucht vor ==> du bereitest ...
im Angesicht meiner Feinde ==> im Angesicht meiner Feinde (Ps 23,5)
immer vor Deinen    
Verheißungen her    

Am auffallendsten sind hier die freien Zitate aus Ps 23,4-5. Das erste Zitat stimmt mit Ausnahme des Verbs wörtlich mit dem Psalmvers überein. Anders beim zweiten Zitat, die Zeilen 4-6 der dritten Strophe bilden wieder den Teil eines Psalmverses, das Objekt des Satzes ist jedoch ausgetauscht und wird als Anspielung im Gedicht vorweggenommen: "Wasser und Brot" stehen in inhaltlicher Verbindung zu "Tisch bereiten".

Neben den Zitaten bietet dieses Gedicht weitere Anspielungen zu Psalmen, die von der Angst vor Feinden, Bedrohung und der Hoffnung auf Gott sprechen. Ausgelöst vor allem durch die Wörter "Schatten, Feind, Angesicht, gehen, dunkel" (z.B. Ps 42). Als typisch biblische Begriffe fallen noch auf: "Brotbrechen" und "Verheißungen" mit Verweisen vor allem auf Texte des Neuen Testaments.

Ulla Hahn, Versuchsweise

Die Anklänge an biblische Texte finden sich in diesem Gedicht in Form von Allusionen; die Markierungen erfolgen jeweils durch übereinstimmende Wörter innerhalb eines sehr kleinen Textbereichs, wobei die Deutlichkeit der Bezüge von Strophe zu Strophe abnimmt.

Dich lieben können ohne Mt 5,43
die zu hassen die dich Du sollst Deinen Nächsten lieben
besetzt hält wie und Deine Feinde hassen
Feindesland ... liebt eure Feinde ...
   
Dich lieben können ohne Mt 15,27
dir zu fressen was dir vom ... aber doch fressen die Hunde die Brosamen,
Tisch fällt: Krümel aus die vom Tisch ihrer Herren fallen ...
der Hand  
   
Dich lieben können ohne  
mir zu sagen nach Jahr Mt 26,69
und Tag: den hab ich nie ... ich kenne den Menschen nicht
gekannt.  

Die erste Strophe nimmt die Leitworte "Lieben, hassen, Feinde" aus Mt 15,27 auf, auch die zweite Strophe zeigt einen deutlichen Bezug, wenn man die inhaltlich vereinheitlichten Wortformen als Ausgangspunkt nimmt (Brosamen = Krümel). Die Anspielung der dritten Strophe ist von den Befunden her weitaus weniger deutlich, eine Berücksichtigung liegt im Ermessen der jeweiligen Interpretation.

Ulla Hahn, Selig sind die Wartenden

Dieses Gedicht verwendet als Überschrift und gleichzeitig als Gliederungssignal zwischen den einzelnen Strophen ein Bibelzitat "Selig sind die ...", das auf drei Seligpreisungen der Bergpredigt verweist: "Selig sind die Sanftmütigen, Barmherzigen, Friedfertigen" (Mt 5,5.7.9). Diese Übereinstimmung beruht auf einer Formulierung, die biblischen Sprachgebrauch aufnimmt, während der weitere Inhalt des Gedichts nicht diesem Abschnitt der Bergpredigt entspricht. Dieses Zitat dient vor allem dazu, die Aufmerksamkeit der LeserInnen im Hinblick auf einen biblischen Bezug zu wecken. Eine inhaltliche Anspielung stellt die zweite Strophe des Gedichtes her, und zwar zu jenen neutestamentlichen Texten, die vom ständigen Warten und Bereitsein sprechen.

Selig sind die Wartenden ==> ... Selig ist der Knecht (Mt, 24,46)
     
Sie bedürfen der Stunden nicht    
nicht der Tage    
nicht des Wachens des Schlafens.    
Sie spannen sich in ihrer Haut    
bis die Poren platzen    
jedes Lächeln sich selbst zerdehnt.    

Dieser Bezug zu Mt 24, 32ff//Mk 13,32ff wird in der zweiten Strophe für eine automatisierte Befunderhebung durch die Wörter "selig, warten, Stunde, Tag, schlafen" deutlich.

 

Anmerkungen

1. Vgl. hierzu die Arbeiten von Gerard Genette, Michael Riffaterre, Karlheinz Stierle, Renate Lachmann, Manfred Pfister, Ulrich Broich. zurück

2. Vgl. Stiegler, Bernd: Intertextualität. In: Texte zur Literaturtheorie der Gegenwart. Hg: Kimmich, Dorothee; Renner, Rolf Günter; Stiegler, Bernd. Stuttgart 1996, 327-332. zurück

3. Vgl. Stierle, Karl-Heinz: Werk und Intertextualität. In: Schmidt, Wolf; Stempel, Wolf-Dieter (Hg): Dialog der Texte (Wiener slawistischer Almanach. Sonderband 11). Wien 1993, 7-26. zurück

4. Vgl. Broich, Ulrich: Formen der Markierung von Intertextualität. In: Broich, Ulrich; Pfister, Manfred (Hg): Intertextualität. Formen, Funktionen, anglistische Fallstudien (Konzepte der Sprach- und Literaturwissenschaft 35). Tübingen 1985, 31-47. zurück

5. Vgl. bereits Raben, Joseph; Liebermann, David: Principles and a Program. In: The computer in literary and linguistic studies (Proceedings of the Third International Symposium). Cardiff 1976, 297-308. zurück

6. Die folgende Untersuchung beschränkt sich auf die Formen der Einzeltextreferenzen. zurück

7. Vgl. Ben-Porat, Ziva: The poetics of literary allusion. In: Poetics and Theory of Literature (PTL). Journal for the Descriptive Poetics and Theory of Literature 1 (1976) 105-128. zurück

8. Vgl. Meyer, Hermann: Das Zitat in der Erzählkunst. Zur Geschichte und Poetik des europäischen Romans. Stuttgart 1961, 15. zurück

9. Vgl. Plett, Heinrich: Intertextualies. In: Petöfi, Jénosch (Hg): Intertextuality Research in Text Theory (Untersuchungen zur Texttheorie 15). Berlin, New York 1994, 3-29, hier 20f. zurück

10. Vorrang hat dabei der Bibeltext als Prätext; d.h. diese Texte werden zuerst bearbeitet. Daraus folgt, daß bei der Datenbearbeitung nicht alle Möglichkeiten der deutschen Sprache berücksichtigt werden, sondern nur jene, die im Bibeltext relevant sind. zurück

11. Es werden für jeden Text drei Konkordanzen angelegt; basierend auf der flektierten, der lemmatisierten und der inhaltlichen Grundform der Wörter. zurück

12. Ein Ergebnis, das besagt, daß 12 Wörter des Gedichtes mit Wörtern aus der Bibel übereinstimmen, ist kaum verwertbar; hingegen 12 übereinstimmende Wörter eines Gedichts mit dem Text Gen 24, 1-9 weisen bereits deutlicher auf einen Bezug hin. zurück


aus: Protokoll des 69. Kolloquiums über die Anwendung der EDV in den Geisteswissenschaften am 8. Februar 1997