Islamische Münzen halten hier allerdings eine Sonderstellung, welche die Bestimmungsdaten stärkt. Denn die älteren Münzen der islamischen Welt sind in ihrem Nutzen und in ihrer praktischen Handhabung dem Archivgut nicht unähnlich. Das hat seinen Grund darin, daß gerade diese Münzen in der Unterscheidung von den Schriftquellen und Sachquellen besser in die erste Gattung einbezogen werden sollten. Worin aber besteht die Bedeutung dieser Quellengattung für die islamische Geschichte?
Unser heutiges Bild von der mittelalterlichen Geschichte der islamischen Welt von Spanien bis nach Indien und an die Grenzen Chinas basiert auf der Überlieferung aus Chroniken, Biographiensammlungen und anderem literarischen Material, mit anderen Worten auf geschichtlichen Sekundärquellen. Deren Quellenwert schwankt zwischen der neutralen Berichterstattung von Zeitzeugen einerseits und sagenhaften Erzählstoffen andererseits. Im Gegensatz zu Europa, wo unsere Kenntnis weitaus stärker auf Primärquellen wie Urkunden und anderem Archivmaterial beruht, sind im islamischen Orient die Archivbestände aus der Zeit vor 1500 nur in wenigen Einzelfällen erhalten und auch danach ist ihr Umfang nicht annähernd an europäischen Maßstäben zu messen. Durch ihre religiös bedingte Bildlosigkeit zeigen islamische Münzen umfangreiche Aufschriften, darunter regelmäßig die Angabe des Entstehungsortes und des gewöhnlich in Worten ausgeschriebenen Prägejahres. Zu den wichtigsten Herrschaftsrechten muslimischer Fürsten zählte die Nennung des eigenen Namens, welche aber auch die Namensnennung aller übergeordneten Herrscher notwendig machte. Ein Emir hatte auf seinen Münzen also auch einen Sultan und noch über diesem einen Kalifen zu benennen. Daher kommt - anders als für die mittelalterliche christliche Welt - den islamischen Münzen ein hoher Quellenwert auch außerhalb der Geldgeschichte zu. Des weiteren beherbergen alle heute wichtigen Sammlungen mehr unpubliziertes Datenmaterial als publiziertes.
Aufbauend auf einem kleinen Altbestand von rund 600 orientalischen Münzen, der überwiegend mit dem Erwerb der Sammlung des Orientalisten Ernst Meier 1866 an die Universität kam, konnte 1988 mit Hilfe der Volkswagen-Stiftung die damals bedeutendste Privatsammlung islamischer Münzen des Mittelalters erworben werden. Für ihre Bearbeitung wurde 1990 am Orientalischen Seminar die Forschungsstelle für islamische Numismatik (FINT) eingerichtet. Mit der Unterstützung privater Förderer und durch gezielten Zuerwerb gelang es in den folgenden zehn Jahren, den Bestand dieses Sammlungsteils auf gegenwärtig 56.000 Münzen zu erhöhen. Die Qualität liegt vor allem in der Datenvielfalt, welche die islamische Münzgeschichte systematisch wiederspiegelt. Als historisches Auskunftsmittel ist sie zwar wie ein Archiv wohlgeordnet, jedoch ist nur ein Bruchteil der in ihr enthaltenen Daten aus ihrem Bestand oder auch nach Exemplaren anderer Sammlungen bis heute veröffentlicht.
Als Quelle werden Münzen aber erst dann zum Sprechen gebracht, wenn ausreichend dichte Datenreihen vorliegen. Das gelang für einige europäische Teilbereiche der islamischen Welt, wie Spanien oder das Wolgagebiet, aber auch für das islamische Indien weitgehend schon im vergangenen Jahrhundert. Doch erst in den letzten Jahrzehnten war es möglich, Sammlungen wie die Tübinger aufzubauen, die in ihrem größtenteils noch unveröffentlichten und zuvor unbekannten Material den nahöstlichen Raum und den iranischen Osten erschließen.
In einer großen Münzreform in den letzten Jahren des 7. Jahrhunderts wurde den ikonoklastischen Tendenzen, die sich bald auch in der christlichen Welt Geltung verschafften, Rechnung getragen und ein rein epigraphes Münzbild geschaffen, welches religiösen Aussagen breiten Raum ließ, die Nennung variabler Daten aber auf die Grundeinheiten Nominal, Münzstätte und Prägejahr beschränkte. Nur die Kupfermünzprägung, die immer einen Sonderstatus als Geldzeichen unabhängig vom Materialwert hatte, nennt gelegentlich Namen; Gold und Silber nennen dagegen nur Allah und Muhammad, jedoch keinen zeitlichen Herrscher. Wenig mehr als 70 Jahre waren dieser reinen Lehre vergönnt, welche die Aussagefähigkeit der Münzen stark beschränkt. Danach stellen sich zunächst Gouverneursnamen ein, nach einem weiteren Jahrzehnt auch gelegentlich der Kalifenname oder beides. Es dauert nicht lange, bis weitere Namen, die für uns heute vielfach nicht identifizierbar sind, hinzutreten. Man wird sie Beamten der Münzstättenverwaltung zuschreiben dürfen oder lokalen Verwaltungsgrößen.
Zu dieser Zeit der ersten Jahre nach 800 AD wurde das Recht der Namensnennung zum Problem. Nach 809 gab es unter den Söhnen Hārūn ar-Rašīds (Harun ar-Raschids) einen Nachfolgestreit um das Kalifat, bei dem offenbar die Propagandawirkung der Namensnennung eine Rolle spielte, denn der in Baġdād (Bagdad) herrschende al-Amīn (al-Amin) verbot kurzerhand die Prägungen mit dem Namen seines Bruders; der wiederum - nachdem er sich durchgesetzt hatte - versuchte zur anonymen Prägung zurückzukehren. Erst nach dessen Tod entstand im Jahr 834 AD durch die alleinige Hinzufügung des Kalifennamens ein klar formuliertes Recht der Namensnennung. Dieses Recht der Namensnennung wurde allerdings zunehmend delegiert. Dabei war es stets notwendig, die hierarchische Stufung durch vollständige Namensnennung der Zwischenglieder zu kennzeichnen. So sind für das 9.-12. Jahrhundert mehrere Namensnennungen charakteristisch, und es können im Extremfall bis zu sechs verschiedene Personen genannt werden, wenn komplizierte Vasallitätsverhältnisse dies notwendig machen. Die Folge ist eine Zunahme des durchschnittlichen Textumfangs von etwa 50 auf durchschnittlich 70 Wörter und eine Verschiebung zugunsten der säkularen Bestandteile der Münzaufschrift. Gelegentlich kommt es im iranischen Raum im 11./12. Jahrhundert vor, daß Stempelschneider offenbar ihren Ehrgeiz dareinsetzen, in mikroskopisch kleiner Schrift durch die Erweiterung der religiösen Aufschriften den Textumfang auf über 150 Wörter zu steigern.
Der Höhepunkt der differenzierten Namensvielfalt war jedoch zu diesem Zeitpunkt schon überschritten. Nachdem mit der Mongoleninvasion das Bagdader Kalifat im Jahr 1258 unterging, kommen mehr als zwei hierarchisch geordnete Namen auf einer Münze nicht mehr vor, und das blieb für den Rest des Mittelalters so. Trotz aller Zersplitterung der Herrschaftsrechte ist die Tendenz zur Reduzierung auf einen Herrschernamen deutlich, und das bedeutet oft genug den Verzicht auf die Nennung unmittelbarer Prägeherren, welche jedoch gestalterischen Einfluß auf das Münzbild nehmen und auch den Münzfuß und damit die grundlegenden technischen Daten (Gewicht und Feingehalt) regulieren konnten. Über all diese Entwicklungen hinweg blieb das recht regelmäßige Vorkommen von Prägejahr und -ort unangetastet.
Bei den Jahreszahlen ist es wichtig festzustellen, ob es fortlaufende Datenreihen gibt, andernfalls muß mit immobilisierten Daten gerechnet werden. Ebenso ist es möglich, daß gar keine Datierung der Prägung, sondern nur eine Datierung des Stempelschnitts beabsichtigt war. Da eine Münze gewöhnlich mit zwei losen Stempeln geprägt wird, wurden in solchen Fällen meist beide Stempel separat datiert. Wenn hierdurch widersprüchliche Daten auf Münzen zu finden sind, so muß das nicht als Hybridität gedeutet werden. Im Osmanischen Reich war es in der Neuzeit üblich, die Münzen nur mit dem Regierungsantrittsjahr zu versehen.
Es ist natürlich ratsam, in derartigen Fällen Daten zu kennzeichnen, aber bisher gibt es in der islamischen Numismatik keine Konventionen für entsprechende Siglen, die den abweichenden Charakter von derartigen Jahresdaten klären.
Von diesen Daten kommt allgemein dem Gewicht die größte Bedeutung zu, da die Bestimmung des Sollgewichts einer Münzart von münzgeschichtlicher Relevanz ist. Doch gibt es gerade unter den islamischen Münzen solche, die mit zufälligem Gewicht ausgegeben wurden. Im Zahlungsverkehr mußten diese Münzen dann zugewogen werden. Das läuft der an europäischem Material entwickelten gängigen Definition der Münze, zu der die Normierung des Gewichts gehört, zuwider. Das Phänomen einer nur den Feingehalt garantierenden Münzprägung ist aber im islamischen Raum vom 9. bis zum 12. Jahrhundert so verbreitet, daß eher der Begriff der Münze dieser Realität anzupassen ist. Geldgeschichtlich ist das Gewicht ohne Kenntnis des Feingehalts kaum aussagefähig. Dennoch gehört der Feingehalt nicht zum Kanon der üblichen technischen Daten, da die Ermittlung allzu großen Hindernissen gegenüberstand. Die Tübinger Syllogeproduktion hat seit dem Erscheinen des zweiten Hefts zumindest bei Goldmünzen eine Angabe des spezifischen Gewichts hinzugefügt, welche mit einfachem Gerät relativ präzise berechnet werden kann, woraus dann eine bessere Einschätzung des Feingehaltes möglich ist.
Aus den ursprünglich im MacWord-Format vorliegenden Daten (also reinen Textdateien) entstanden über diverse Kopiere-Programme in TUSTEP, aber auch in Handarbeit im Editor (so das Löschen zusätzlicher Textteile und Anmerkungen sowie nicht konvertierbarer Textteile/Sonderzeichen; Vereinheitlichung von Schreibweisen und Benennungen etc.) TUSTEP-Datensätze mit je 15 Kategorien: laufende Nummer (die von TUSTEP vergeben wird), Dynastie/Serie, Herrscher, Nominal, Münzstätte/Region, Prägejahr, Metall, Gewicht, Aufschriften, Literaturzitate, Provenienz, Bemerkungen, Inventarnummer, Bildnummer, Stempelstellung. Diese "Original"-Münzdateien enthalten allerdings meist nur Angaben zu folgenden Kategorien: Inventarnummer, Metall, Nominal, Münzstätte, Prägejahr, Herrscher und Dynastie. Da jede Datei den Münzbestand einer Dynastie repräsentiert, unterscheiden sich die Dateien sehr im Umfang (zwischen 37 und 3.012 Münzen je Datei).
Der laufende Zuwachs durch Schenkungen und Käufe und ein Depositum hat den Bestand an Münzen seither annähernd verdoppelt. Die Aufnahme dieser neuen bzw. der bislang "nur" handschriftlich erfaßten Münzen erfolgt im Rahmen der Veröffentlichung der Münzen in den sukzessive erscheinenden Syllogebänden. Da die Syllogebände mit TUSTEP hergestellt werden (als Textdateien mit Formatiereanweisungen), können die beim Erfassen neu gewonnenen Informationen zu den einzelnen Münzen programmgesteuert (mit Hilfe umfassender Kopiere- und Einfügeprogramme) den eigentlichen Münzdateien zugeführt werden. Das Hinzufügen der hier neu gesammelten Informationen in die Münzdateien erfolgt über die Konkordanz von Münznummer (im Syllogeband) mit Inventarnummer der entsprechenden Münze. Durch die umfassende Dokumentation der einzelnen Münzen in den Syllogebänden wächst der Informationsgehalt der Münzdateien somit entsprechend der Veröffentlichungsgeschwindigkeit der Syllogebände.
Syllogebände und Münzdateien folgen unterschiedlichen Organisationsprinzipien: Die Syllogebände sind nach Münzstätten, die Originalmünzdateien nach Dynastien geordnet. Diese unterschiedliche Struktur führt dazu, daß jeder Syllogeband Münzen mehrerer Münzdateien enthält. Darüber hinaus werden über die Syllogebände aber auch Münzen erfaßt, die bislang noch in keiner Münzdatei stehen. (Für das Eruieren dieser Münzen wurde in TUSTEP kein passender Parameter gefunden.) Für diese neuerfaßten Münzen wurden vorläufig Extradateien angelegt.
Zum einfachen und effizienten Umgang mit dieser mittlerweile sehr umfangreichen Datenmenge wurde von den Bearbeitern auf die Möglichkeiten der Makroprogrammierung in TUSTEP zurückgegriffen. So erlaubt z. B. das Kommandomakro "$Suche" die Suche nach einem oder mehreren Begriffen (mit den Möglichkeiten der Codierung beliebiger Zeichen bzw. Zeichenfolgen) in einer, mehreren oder auch allen Münzdateien und einer, mehreren oder allen Kategorien. Die Ausgabe der so ermittelten Datensätze - die ebenfalls an ein Makro gekoppelt ist - kann nach Wunsch in eine Datei oder direkt an den Drucker (HP Laserjet III) erfolgen. Das Makro bietet dabei eine Sortierung der gefundenen Datensätze nach einer beliebigen Münzkategorie an. Eine eigene Menüleiste (diverse Drucke-Optionen, Suchmöglichkeiten, Editor-Steuerbefehle) bedeutet für die Syllogeautoren (und natürlich alle anderen TUSTEP-User) eine enorme Vereinfachung der Arbeit im TUSTEP-Editor. Über Editormakros wird darüber hinaus die Texteingabe - vor allem der vielen Diakritika - wesentlich vereinfacht.
aus: Protokoll des 72. Kolloquiums über die Anwendung der EDV in den Geisteswissenschaften vom 7. Februar 1998