Nach dem Fund der ersten Tontafeln im Jahre 1977 wurden bereits seit 1978 auf dem Tall Seh Hamad in Nordost-Syrien Ausgrabungen durch Hartmut Kühne von der FU Berlin durchgeführt. Dabei sind von 1978 bis 1984 auf der Südwest-Kuppe des beherrschenden Talls die Tontafeln eines mittelassyrischen Verwaltungsarchivs geborgen worden. Sie waren dort in einem Verwaltungsgebäude untergebracht, das bei einem Brand zerstört wurde. Deshalb sind die Tafeln aus dem 1. Stock in das Erdgeschoß bzw. in einen Kellerraum hinabgestürzt und also nicht in ihrer ursprünglichen Lage gefunden worden. Sie wurden vielmehr vergesellschaftet mit Scherben und Knochen gefunden, waren durch den Brand auch teilweise zerstört, teilweise schwarz geschmaucht. Dennoch wurden rd. 450 Tafeln und Tafelfragmente geborgen.
Das Archiv besteht aus verschieden großen Keilschrifttexten, die zwischen 8 und 60 Zeilen umfassen. Ein kleiner Teil der Texte ist gesiegelt, d.h. durch Rollsiegel besonders gekennzeichnet. Es handelt sich dabei meist um eine Art Darlehensurkunden. Ein weiterer kleiner Teil der Texte war mit Hüllen versehen, wie es in der altbabylonischen Zeit z.B. bestimmte Rechtsurkunden sind. Einmal konnte auch eine Tafel direkt einer Hülle zugeordnet werden.
Inhaltlich handelt es sich bei den Texten um:
Das Archiv ist ein staatliches Archiv, kein privates. Es gibt uns Einblick in die Wirtschaft der mittelassyrischen Zeit (um 1250 v. Chr.) und läßt auch die Beziehungen zwischen der Provinzstadt Dur Katlimmu und der Hauptstadt Assur hervortreten. Die weitere Erschließung der Texte läßt nicht nur neue Daten zur Wirtschaftsgeschichte erwarten, sondern ermöglicht es z.B. auch durch die Deutung der Namen der in den Listen genannten Arbeiter, die ethnische Zusammensetzung der Bevölkerung am Habur im 2. Jt. zu erschließen.
Die systematische Erschließung der sehr vielen Eigennamen der jeweiligen Familienmitglieder und ihrer Zusammengehörigkeit wird auch Aussagen über das Bevölkerungswachstum bzw. die Verminderung der Bevölkerung zulassen.
Schwierigkeiten bereiten bisher noch die für Keilschrifttexte gebräuchlichen Umschriftsysteme, die mit Silbenzeichen, Wortzeichen, Determinativen und phonetischen Komplementen arbeiten, die jeweils mit verschiedener Typographie zu gestalten sind, damit sie sich deutlich voneinander abheben. Ziel dieser in der Assyriologie seit einigen Jahrzehnten entwickelten und verfeinerten Umschrift ist es, den Originaltext der Keilschrifttafel so deutlich zu umschreiben, daß für den Leser eine Rekonstruktion dieses Textes optisch möglich ist, ohne Einblick in die Tafel selbst zu haben. Nur bei genauer Beachtung dieser Umschriftmethoden, die in der Assyriologie entwickelt worden sind, ist es auch möglich, bestimmte Schreibereigentümlichkeiten bzw. Eigentümlichkeiten von Schreibbüros herauszuarbeiten und zu analysieren.
Weitergehende Informationen zu den einzelnen Texten wie Grabungsnummer, Zustand, Größe und Färbung der Tontafel, Siegelung mit Rollsiegel u.a.m. waren in einer separaten Kartei (Zettelkasten) vermerkt.
Mit der Anschaffung eines neuen Druckers und der Verwendung einer skalierbaren Schrift (Times Roman) mußten die Texte sukzessive von Hand umformatiert werden, um zu einem halbwegs übersichtlichen Druckbild zu kommen.
Eine Wortsuche innerhalb der Computerdaten war aufgrund des oben erwähnten Umschriftsystems, das nicht den Wortlaut, sondern die Orthographie (Silben- und Wortzeichen, Komplemente und Determinative) und den Erhaltungszustand (textkritische Zeichen) der Keilschrift wiedergibt, praktisch unmöglich.
Als Werkzeug hierfür bot sich TUSTEP an, das alle gewünschten Funktionen in einer einheitlichen Umgebung zur Verfügung stellt. Sowohl Erfassung, Korrektur und Verwaltung der Text- und Metadaten als auch Registererstellung und Satz lassen sich auf einfache Weise innerhalb einer TUSTEP-Sitzung realisieren.
Die Konvertierung wurde im wesentlichen von einem (TUSTEP-)Programm vorgenommen, das gleichzeitig die in 5er-Intervallen eingebrachten Zeilennummern dazu nutzte, die Zeilen und dann - in einem nächsten Schritt - die Wörter durchzunumerieren.
Die Lemmatisierung war weitgehend Handarbeit, die aber durch einige Hilfen erleichtert werden konnte: Der Datenbestand wurde vorher in eine Form gebracht, in der jedes Wort in einer Zeile stand, anschließend wurden die Daten so sortiert, daß - unabhängig von textkritischen Zeichen - Wörter gleicher bzw. ähnlicher Schreibweise untereinander zu stehen kamen, so daß die Lemmatisierung über weite Strecken im Editor via "Copy-Paste" vorgenommen werden konnte. Um in Zweifelsfällen schnell auf den Originalkontext einer Graphie zugreifen zu können, wurde in einem zweigeteilten Editorfenster gearbeitet: oben die sortierten Daten, unten die Daten im Textzusammenhang. Bei schwierigen oder mehrdeutigen Schreibungen sorgte ein Editormakro anhand der vor jeder Graphie stehenden Text-, Wort- und Zeilennummer dafür, daß im unteren Editorfenster auf Wunsch der jeweilige Originalkontext des auf Cursorposition stehenden Wortes im oberen Editorfenster sichtbar wurde. Bei der Lemmatisierung wurden außerdem bestimmte Typen von Einträgen unterschieden: Personennamen, Eponymennamen (datierend, nicht datierend), Toponyme, Monatsnamen und sonstige.
Weiterhin sind Felder innerhalb der Textdaten selbst vorgesehen, die es ermöglichen, an den betreffenden Stellen Kollationsvermerke und Kommentare einzubringen, die beim Satz optional mit ausgegeben werden können. Um die Ausgabe der horizontalen Linien unabhängig von Drucker und Satzspiegel proportional zur Laufweite des Textes zu halten, befindet sich am Anfang eines Textes eine im Druckbild unsichtbare Zeile, die eine "repräsentative" Zeile des jeweiligen Textes enthält und die dazu dient, die Laufweite der an den betreffdenden Stellen im jeweiligen Text aufgerufenen Linien zu definieren.
Die Arbeit an den Daten wird außerdem durch einige Editormakros erleichtert, und bei systematischen Korrekturen leisten die "Zeige"-Anweisungen des TUSTEP-Editors unverzichtbare Dienste.
aus: Protokoll des 75. Kolloquiums über die Anwendung der EDV in den Geisteswissenschaften am 6. Februar 1999