Dieser Titel verspricht mehr als ich in wenigen Minuten darstellen kann. Er steht im Wesentlichen für einen knappen Rückblick auf 90 Kolloquien zur EDV in den Geisteswissenschaften und einige tabellarische Übersichten, die sich aus der Liste der Kolloquien ableiten läßt, die auf der TUSTEP-homepage zugänglichen ist. Eine inhaltliche Charakterisierung dessen, was EDV in den Geisteswissenschaften sein soll oder in Tübingen de facto gewesen ist, soll hier erst gar nicht versucht werden.
Zur Definition von "Humanities Computing" (wie man "EDV in den Geisteswissenschaften" im Englischen wiedergeben würde), gibt es eine lebhafte internationale Diskussion, die Sie in den Archiven von "humanist" aufspüren können. Einige wichtige neuere Publikationen zum Thema habe ich Ihnen hier aufgelistet, darunter zwei vom Referenten des heutigen Kolloquiums, John Unsworth.
Für die Geschichte der EDV in den Geisteswissenschaften sind auch die Protokolle der Tübinger Kolloquien eine nicht unbedeutende Quelle. Es handelt sich immerhin um eine eine Serie von Veranstaltungen, die einen Zeitraum von mehr als 30 Jahren abdeckt und damit weltweit einmalig sein dürfte. Sie hat auch weltweit Beachtung gefunden: die Protokolle sind bzw. werden vom ersten Kolloquium an publiziert, zunächst im ALLC Bulletin, seit 1986 in Literary and Linguistic Computing, der bei Oxford University Press erscheinenden Nachfolgezeitschrift. Die Publikation erfolgte freilich nicht immer so schnell wie die des Protokolls zum Kolloquiums vom 17.11.1973, das schon in Heft 2 (1974) des ALLC Bulletin nachzulesen war.
Die Geschichte der seit November 1973 regelmäßig stattfindenden Tübinger Kolloquien und der ebenfalls 1973 gegründeten ALLC ist übrigens eng verflochten, wie aus dem Protokoll einer Sitzung vom 5. Juli 1973 hervorgeht.
Ich hatte zu diesem Termin EDV-Nutzer aus den Geisteswissenschaften zu einem Gespräch eingeladen, um Maßnahmen für einen besseren Informationsaustausch zwischen Projekten zu besprechen, die textliches Material mit EDV-Hilfe verarbeiten.
Aktueller Anlass für dieses Gespräch war die Gründung der ALLC. An deren Vorgeschichte war ich nicht ganz unbeteiligt, u.a. als einziger deutscher Teilnehmer an dem "Symposium on the Use of the Computer in Literary Research" vom 23.-26. März 1970, das Roy Wisbey in Cambridge veranstaltet hatte (siehe R. A. Wisbey (ed.): The computer in literary and linguistic research: papers from a Cambridge symposium. (Publications of the Literary and Linguistic Computing Centre, University of Cambridge, Vol. 1.) XV, 309 pp. Cambridge: University Press, 1971).
In der oben erwähnten Sitzung vom 5. Juli 1973 beschlossen die Teilnehmer u.a., regelmäßig Kolloquien abzuhalten, in denen neben einem Hauptreferat Kurzberichte mit Informationen über eigene Arbeiten, mit Literaturberichten, Tagungsberichten u.ä sowie Gelegenheit zur Diskussion geboten werden sollten. Tübinger und auswärtige Referenten sollten sich abwechseln.
Das erste Kolloquium fand dann am 17.11.1973 im Kleinen Übungsraum des Philololgischen Seminars statt mit Teilnehmern aus 15 Fachgebieten.
Die ersten Kolloquien bestanden noch aus einer Reihe von Kurzberichten und einem einzigen ausführlicheren Hauptbeitrag, wie am Beispiel des ersten Kolloquiums zu sehen ist. Wir haben uns aber schon bald auf nur zwei Beiträge pro Vormittag verständigt, was vor allem der Möglichkeit zu ausführlicher Diskussion zu gute kam.
Wie schon gesagt, sind die Protokolle dieser Kolloquien im ALLC Bulletin bzw. in Literary und Linguistic Computing publiziert. Leichter (und schneller) zugänglich sind sie seit einigen Jahren auf der TUSTEP-homepage, wo Sie außer der Themenliste mit Links auf den Volltext der Beiträge auch die Publikationsdaten und ein alphabetisches Verzeichnis der Vortragenden finden.
Die ersten Protokolle waren im Wesentlichen eine stichwortartige Aufzählung wichtiger Punkte der Referate, wie das eben zitierten Protokoll des ersten Beitrags von 1973 zeigt. Im Lauf der Zeit wurden sie umfangreicher, u.a. weil uns die Redaktion von ALLC Bulletin und LLC schon bald mehr Platz eingeräumt hat. Seither sind die Kurzfassungen, wie hier am Beispiel des Protokoll des bisher letzten Kolloquiums zu sehen ist, als eigenständige Publikationen lesbar und geben die Präsentation und Argumentation auch für Nicht-Teilnehmer nachvollziehbar wieder.
Ich kann auf den Inhalt der Beiträge nicht im Detail eingehen, sondern muß mich mit ein paar sehr formalen und abstrakten Übersichten begnügen.
In den Kolloquien sollten, wie wir gesehen haben, möglichst alle mit Textdaten arbeitenden Fachgebiete berücksichtigt werden; dabei sollten sich Tübinger und auswärtige Referenten abwechseln.
Wie wir die selbst gesetzten Ziele umgesetzt haben, zeigt folgende Übersicht:
Wir hatten in 90 Kolloquien |
- 61 Mal Beiträge aus der Universität Tübingen |
- 69 Mal Beiträge von außerhalb. |
- 29 Kolloquien wurden ausschließlich von auswärtigen Referenten bestritten; |
wenn wir die Kolloquien hinzunehmen, in denen ausschließlich ZDV-Mitarbeiter vorgetragen haben, so waren es |
- 41 Kolloquien ohne Projektberichte aus der Universität Tübingen. |
Die Referenten kamen aus folgenden Orten (in Klammern die Zahl der Kolloquien):
Trier (10), München (8), Würzburg (8), Tübingen außerhalb der Universität (7), Stuttgart (6), Heidelberg (5), Berlin (4), Göttingen (4), Freiburg (3), Münster (3), Bonn (2), Hannover (2), Augsburg (1), Bochum (1), Duisburg (1), Eichstätt (1), Erlangen (1), Frankfurt (1), Köln (1), Konstanz (1), Mannheim (1), Marbach (1), Marburg (1), Siegen (1) Weimar (1); aus dem Ausland: Jerusalem (2), Basel (1), Charlottesville (1), Chicago (1), Edmonton (1), Gallarate (1), Innsbruck (1), London (1), Paris (1), Rom (1), Stellenbosch (1), Urbana-Champaign (1), Wien (1), Zürich (1) |
In der folgenden Übersicht sind die Institute bzw. Einrichtungen zusammengestellt, aus denen die Referenten kamen:
Ägyptologie | Geschichtliche Landeskunde | Pädagogik |
Akad. Auslandsamt | Geschichtswissenschaft | Philosophie |
Alte Geschichte | Indologie | Rhetorik |
Altorientalistik | Informatik | Romanistik |
Anglistik | Jiddistik | Sprachwissenschaft |
Anorganische Chemie | Judaistik | Theologie |
Archäologie | Klass. Philologie | Universitätsbibliothek |
Bibelwissenschaft | Kommunikationsforschung | Universitätsarchiv |
Bibliothekswesen | Kunstgeschichte | Urgeschichte |
Datenverarbeitung | Literaturwissenschaft | Verfassungsrecht |
Dolmetschen/Übersetzen | Medizingeschichte | Verlagswesen |
Editionswissenschaft | Neuere Geschichte | Völkerkunde |
Germanistik | Orientalistik |
Diese Liste zeigt neben dem vollen Spektrum geisteswissenschaftlicher Fächer auch Beiträge aus anderen Fachgebieten, die mit Texten umgehen, wie die Universitätsverwaltung, Universitätsbibliothek, Universitätsarchiv; unter "Datenverarbeitung" verbirgt sich u.a. der Deutsche Bundestag mit seiner Dokumentation parlamentarischer Vorgänge, über die der damalige Leiter der Abteilung Dokumentation und Datenverarbeitung des Deutschen Bundestags, Dr. Mausberg, berichtet hat. Auch Fächer wie die Anorganische Chemie, die Archäologie oder die Urgeschichte sind mit Aufgaben wie Bibliographien, Fundauswertung oder Dokumentation vertreten. Natürlich stand in vielen Kolloquien TUSTEP im Vordergrund, das Tübinger System von Textverarbeitungsprogrammen, das wir mit dem Ziel der optimalen Unterstützung des wissenschaftlichen Umgangs mit Textdaten am ZDV und in Zusammenarbeit mit vielen hier vorgestellten Projekten entwickelt haben. Dennoch - oder besser: gerade deshalb - haben wir es für notwendig gehalten, immer wieder über den eigenen Horizont, d.h. insbesondere TUSTEP und seine Anwendung, hinauszuschauen.
40 Beiträge haben entweder Grundsätzliches zur EDV in den Geisteswissenschaften zum Thema gehabt, wie die folgenden Gastvorträge bei besonderen Anlässen:
Diese Beiträge sollten Sie auch als eine Ergänzung zu der Literaturliste zum "Humanities computing" sehen, die ich eingangs gezeigt habe. Die Vorträge stehen jeweils im vollen Wortlaut auf der Kolloquiums-Seite im WWW.
In den übrigen 35 nicht-TUSTEP-bezogenen Beiträgen wurde aus Projekten berichtet, die mit anderen Mitteln realisiert wurden. Hinzu kommen viele Berichte, in denen TUSTEP nur für einen Teil der Arbeit (am häufigsten: Satz) eingesetzt wurde.
Die Schwerpunkte bzw. Ziele der EDV-Unterstützung bei den vorgestellten Projekten lassen sich aus der folgenden Übersicht ablesen. Sie enthält im wesentlichen einen Ausschnitt aus einer alphabetischen Liste der Wörter, die in Titeln der Kolloquiumsbeiträge vorkommen. (Die gelben Markierungen sind nicht sehr systematisch vorgenommen; sie sollen auf charakteristische Anwendungen, aber auch über die engernen Fachgrenzen hinaus bekannt gewordene oder für einzelne Fächer zentrale Aufgaben oder Werke hinweisen. Die Zeit reicht nicht aus, sie einzeln zu kommentieren).
Analyse (10): | Hexameter, Textgenese, intertextuelle Bezüge, altägypt. Daten; Phonem-, Text-, Semantik- und Pragmatik-, Sprach- (altfrz.); + Qualitätsmessung v. Übersetzungen |
Darstellung (3) | semantische Strukturen (Wortfelder); Ausdruckssyntax (AT); Semantik (Josefsgesch.) |
Untersuchung (8) | komplexer Überlieferung; von Texten; von Graphemfolgen; grammatikalische (Ruodlieb; AT); Ausdruckssyntax (bibl. Texte); sprachwiss. (früh-neuhochd.); Entwicklung polit. Bewegungen |
Auswertung (11) | Tierknochenfunde (Statistische A.), Steuerbücher (spät-MA); Vergleichsergebnisse; päpstl. Register; altind. Purana-Literatur (metr. + stilist.); Flugschriften (quantitat.); Quellen z. röm. Religionsgeschichte; histor. Topographie (antikes Griechenland); deutsche Urkunden (13./14. Jh); Binswanger-Archiv |
Erschließung (20) | Bestandsarchiv, histor. Quellen (Flugschr.), Projektbibliographie Chemie, Bibiliotheksbestände (Humanisten-Hss), Lehrmat. (Video-Bänder, Diasammlung), Roman. Bibliographie, orale Literatur (Shipibo-Conibo), philosoph. Texte, Archivalien (Reichs- kammergerichtsakten), jidd. Literatur, spät-MA Geschichtsquellen (Rep. Germ.), früh-MA Gesetzbuch (Ansegis), ägypt Sargtexte, Quellen (F.Z.), krit. Edition (Bachmann), sprachgeschichtl. (jidd. Glossare), Islam. Münzsammlung, Binswanger Archiv |
Edition; Ausgabe (43) | Haller; Scheurl; Mischna; Gregor v. Rimini; Staupitz; Ulysses; Ruodlieb; Synopse 10 Märtyrer; Constant; Entwurfsmanuskripte; Schickard-Briefe; Denzinger; Jidd. Literatur; Leibniz; Grundgesetz; Kafka; Ansegis; Nikolaus v. Kues; Shakespeare; Christherre-Chronik; Bachmann; Glossare zu Job; Goethe-Briefe; Marx - Engels; evang. Gesangbuch; Harry Graf Kessler; Benedictus Levita; Heinrich Böll; Parzival; altfranz. Urkunden; King Lear; - Vorüberlegungen zu; Erwartungen an; Vergleich der Quellen als Vorbereitung; Werkzeuge für; elektron. Ed.; Internet-Ausgabe; + Textkritik (2); Stemmatisierung (2) |
Bibliographie (13) | Medizingeschichte; Flugschriften 16. Jh; Bestandsverzeichnisse u. Bibliographien UB; Germanistik; Projektbibliographie Chemie; Tübinger Bibliographie-Programm; Romanische Bibliographie; Karl Barth; Purana-Literatur; Rezensionen-Bibliographie; Lat. Literatur 1855-1954; franz. Übersetzungen aus dem Deutschen |
Dokumentation (10) | Theodok, Gerdok, PC zur Dokumentation, Parlamentsvorgänge, Bildarchiv Marburg, Entstehung d. Grundgesetzes, Preuss. Landtagswahlen 1867-1918, jüd. Friedhöfe |
Katalog (10) | Lehrbuchsammlung, Medizingeschichte, Katalogisierung UB, Humanisten-Hss, Video-Bänder Neuphil., Arab. Hss Mauretanien, Inkunabeln deutscher Bibliotheken, Verzeichnis Tübinger Bibliotheken, Vorl.-Verzeichnis Uni Würzburg |
Repertorium (6) | Meistergesang; Repertorium Germanicum; deutscher literar. Zeitschrifen; Uni-Archiv / Internet |
Archiv (16) | Univ.-Archiv; Deutsches Literatur-Archiv; Bildarchiv Foto Marburg; Landesarchivdirektion; Wortschatz-Archiv (DWB); Keilschrift-Archiv Syrien; Binswanger-Archiv |
Lexikon / Lexikographie / Enzyklopädie (13) | Tagungsbericht; Planungen z. rechnergest. Lexikographie; mhd. (Benecke, Lexer, Pretzel); Lexikon d. Sprachwissenschaft; Augustinus-Lexikon; Internat. Germanisten-Lexikon; Roche-Lexikon Medizin; Dialektlexikographie (WBÖ); Idiomat. Wörterbücher; Lexikon des Mittelalters; Der Neue Pauly |
Wörterbuch (13) | Reimwörterbuch Stefan George; Häufigkeitswörterbuch gespr. Sprache; Shipibo-Conibo; über Wörterbuch-Arbeit; neuhochd. Index zu mhd WB; Deutsches Wörterbuch (Grimm); mittelhochdeutsches Wörterbuch; WBÖ (bayer. Mundarten in Österr.); idomatisches Wörterbuch; Wörterbuchsystem Compass; |
Konkordanz (6) | COCOA; ägypt. Sargtexte; Freud-Korrespondenz; Purana-Literatur; Hekhalot; Franz Kafka (es fehlt: Vulgata-Konkordanz) |
Index (7) | als Hilfsmittel; Programme f. Erstellung; zu Gregor v. Rimini; Purana; zummittelhochd. Wörterbuch; zu philosoph. Texten; Werkzeuge; multilinguales Sortieren |
Register (10) | Theolog. Quartalschrift; Zeitschrifteninhaltsdienst Theologie; Staupitz (Lemmatisierung); päpstliche Register; zum Repertorium des Meistergesangs (Namen, Incipit, Stichwort); zum Repertorium Germanicum; Luther-Register; zu altfrz. Urkunden; Findebuch mhd. Wortschatz; Programme für; rechnergestützte Erstellung von Registern |
Lemmatisierung (4) | Staupitz; Probleme; Hilfsmittel |
Quellen (9) | Flugschriften; Personen- u. Sprachforschung hist. Q.; Personen-Identifizierung in hist. Quellen; Frankfurter Zeitung als Quelle f. Medienforschung; Quellensammlung röm. Relig.-Geschichte; Geschichtsquellen; Bild und Text als Informationsquelle; Quellenedition altfranzös. Urkunden. |
Geschichte (11) | EDV in Medizingeschichte; in Geschichtswissenschaft; Geschichte der Geschichtswissenschaft; Lehrstuhlinhaber Geschichte; Geldgeschichte Mitteleuropas 1300-1800; Römische Religionsgeschichte; Histor. Landeskunde Griechenland; spätmittelalterliche Geschichtsquellen; Sozialgeschichte römischer Religion; Sprachgeschichte; Editionsgeschichte |
Historisch (6) | Flugschriften als historische Quellen; historische Agrarpreisstatistik; Werkzeug f. histor. Wissenschaft (CLIO); Historische Topographie; historisches deutsches Wortschatz-Archiv; historische Dynamik als Computer-Problem |
Erstellung / Herstellung (16) | Satz; Indizes; Repertorium; Arbeitskataloge; Bibliographien; Reimwörterbuch; Referateorgan; Lehrbuch altenglisch; Inkunabelkatalog; Lexikon |
Publikation (7) | ... |
Es wird ja häufig beobachtet, dass die meisten Geisteswissenschaftler den Computer - neben der Suche im Internet und der Kommunikation über e-mail - nur zur Formatierung bzw. zum Satz von Texten benutzen. Das Thema Satz spielte zwar auch bei unseren Kolloquien eine Rolle: in den Titeln der Beiträge kommt es 4 mal vor; und bei fast allen Projekten, die auf eine Publikation von Quellen oder Auswertungen hinauslaufen, ist die Herstellung der Druckvorlage mit besprochen oder zumindest erwähnt worden. Doch zeigt die Liste der in den Themen verwendeten Begriffe, dass weniger technische als vielmehr wissenschaftliche Probleme und ihre Lösung mit Computerhilfe im Vordergrund standen.
Natürlich ist diese Liste unvollständig; sie soll ja auch nur einen kleinen Eindruck von den Aufgaben vermitteln, zu deren Lösung EDV als wissenschaftliches Werkzeug vorgestellt und diskutiert wurde.
Es würde, wie gesagt, zu weit führen, einen Überblick über die Projekte zu versuchen, die im Kolloquium vorgestellt wurden, und über die Fachgebiete, aus denen sie kamen. Sie reichen von Studienarbeiten (Dissertationen) über wissenschaftliche Dienstleistungen (z.B. Inkunabel-Katalog, Erschließung Bestände des Univ.-Archivs, Redaktion und Satz von Periodica wie Germanistik und Romanische Bibliographie) bis hin zu Großprojekten wie der 19-bändigen Enzyklopädie "Der Neue Pauly" oder den Registern zu den Verhandlungen des Deutschen Bundestags und Bundesrats. Weltweit Aufsehen erregt haben Edition wie die von James Joyce's Ulysses, die Hans Walter Gabler erstellt hat und die 1984 in New York erschienen ist.
Andere wichtige Projekte fehlen ganz in der Liste der Kolloquien. So haben wir noch nicht einmal einen Bericht über das erste größere DFG-geförderten Projekt, die Vulgata-Konkordanz von Bonifatius Fischer, für die in den Jahren 1967 bis 1977 am hiesigen Rechenzentrum die EDV-Arbeiten durchgeführt wurden.
Trotz solcher Lücken lohnt es sich auch heute noch, die Kolloquiumsbeiträge durchzusehen, nicht nur aus historischem Interesse. Man wird viele Anregungen methodischer Art daraus ziehen können.
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Lassen Sie mich an dieser Stelle eine - schon etwas ältere - Stimme von außen zitieren:
"Tübingen hat auf dem Gebiet der Textverarbeitung, das zunehmend an Wichtigkeit für alle Geisteswissenschaften gewinnt, eine führende Stellung. Sie sollte der Universität unbedingt erhalten bleiben."
Diese Sätze stammen aus dem Jahr 1989, also ziemlich genau aus der Mitte des Zeitraums, auf den wir heute zurückblicken, und zwar aus dem Abschlußbericht der Kommission Forschung Baden-Württemberg 2000 des Ministeriums für Wissenschaft und Kunst. Wie Sie wissen, hatte es von 1985 bis 1989 einen Forschungsschwerpunkt Wissenschaftliche Textdatenverarbeitung in Tübingen gefördert.
Dass dies 1989 so war, verdankt die Universität Tübingen vielen der in den Kolloquien vorgestellten Projekte und den Wissenschaftlern, die sie zu verantworten hatten und die ihre Methoden und Ergebnisse hier vorgestellt und diskutiert haben. Die Publikation der Protokolle dieser Kolloquien im ALLC Bulletin und dann in Literary and Linguistic Computing hat wesentlich dazu beigetragen, auch in der übrigen Welt diesen Ruf der Universität Tübingen zu verbreiten als einer Einrichtung, an der der Einsatz des Computers als Werkzeug für geisteswissenschaftliche Forschung methodisch vorangetrieben und in vielen wissenschaftlichen Projekten erfolgreich angewandt wird. Dass die Welt Tübingen bis heute so sieht, zeigt u.a. die Tatsache, dass wir 2002 die Joint Annual Conference der ALLC und der ACH in Tübingen ausrichten durften, und - ganz aktuell - die Tatsache, dass wir eine der auf diesem Gebiet führenden Persönlichkeiten gewinnen konnten, uns im letzten Kolloquium dieser Serie wichtige Voraussetzungen für künftiges erfolgreiches Arbeiten auf diesem Gebiet zu erläutern.
Computer auf dem Schreibtisch des Geisteswissenschaftlers sind heute - nicht nur in Tübingen - so selbstverständlich wie es vor 30 Jahren die Schreibmaschine war. Der Computer hat auch dort nicht nur die Schreibmaschine, sondern weitgehend auch das Telefon, den Zettelkasten und teilweise die Privatbibliothek abgelöst, und zwar nicht nur bei der Arbeit an großen wissenschaftlichen Projekten, sondern auch im Alltag von Lehre und Forschung.
Welche Anforderungen sich daraus ergeben an das Umfeld, in dem Geisteswissenschaften heute und künftig erfolgreich und effektiv arbeiten können, das wird uns nun John Unsworth erläutern. Als ehemaliger Direktor des Institute for Advanced Technology in the Humanities der University of Virginia und in seiner jetzigen Position als Dean der School of Library and Information Science der University of Illinois hat er auf diesem Gebiet so viel Erfahrung und Einsicht wie weltweit sonst nur wenige Persönlichkeiten.
John, I am very glad and feel very honoured that you accepted our invitation to the 90th colloquium and to speak to us on the importance of digitization and cyberinfrastructure for the humanities.
aus: Protokoll des 90. Kolloquiums über die Anwendung der EDV in den Geisteswissenschaften am 5. Februar 2005