Aus dem Protokoll des 85. Kolloquiums über die Anwendung der
Elektronischen Datenverarbeitung in den Geisteswissenschaften
an der Universität Tübingen vom 29. Juni 2002

 

Ralf Schnell, Roger Sennert, Jens Wagner (Siegen)
Die Kölner Ausgabe der Werke Heinrich Bölls: ein Beispiel dezentraler computer-gestützter Redaktionsarbeit

Das Projekt

Heinrich Böll hat seit seiner ersten Buchveröffentlichung im Jahr 1949 die deutsche Nachkriegsliteratur über fast vier Dekaden geprägt. Er ist einer der wenigen deutschsprachigen Autoren, deren Werk große internationale Anerkennung findet. In seinen Erzählungen und Romanen griff er die Erfahrungen seiner Zeitgenossen auf und verlieh ihnen einen literarischen Ausdruck, der nichts von seiner Aktualität verloren hat. Schon seine literarischen Anfänge innerhalb der Heimkehrer- und Trümmerliteratur zeigen seine Auseinandersetzung mit der Frage des Humanen und der Würde in der Gesellschaft. Dafür fand Böll eine neue Sprache, lakonisch, direkt, bildhaft und atmosphärisch dicht. Er verstand sich als "eingreifender Intellektueller", der mit seinen Essays und Interviews die politische und gesellschaftliche Entwicklung der Bundesrepublik kritisch begleitete. Sein Werk gehört zur Weltliteratur und repräsentiert eine zentrale Phase der deutschen Geschichte.

Seit Oktober 2002 erscheint nun die Kölner Ausgabe (KA) der Werke Heinrich Bölls im Verlag Kiepenheuer & Witsch. Diese Ausgabe beruht auf den zu Lebzeiten Bölls veröffentlichten Texten sowie auf den Nachlässen, die in den Archiven der Erbengemeinschaft Heinrich Böll und der Stadt Köln aufbewahrt werden. Es handelt sich um ein 27 Bände umfassendes Großprojekt, das bedeutendste, das der traditionsreiche Verlag des Literatur-Nobelpreisträgers Heinrich Böll bislang zu verantworten hatte. Es ist auf einen Publikationsrhythmus von drei Bänden pro Jahr angelegt, also insgesamt auf einen Zeitraum von knapp zehn Jahren.

Die KA bietet das Werk Heinrich Bölls in gattungsübergreifender, der Chronologie der Veröffentlichung folgender Anordnung. Aus dem Nachlass edierte Texte werden entsprechend ihrer Entstehungszeit aufgenommen. Dies gilt auch für die zu Lebzeiten des Autors erschienenen Texte aus dem Frühwerk bzw. posthum publizierte Arbeiten. Die Interviews und Gespräche Heinrich Bölls werden im Rahmen der KA in gesonderten Bänden dokumentiert. Sämtliche in die Ausgabe aufgenommene Texte werden in textkritisch durchgesehener Form geboten. Textgrundlage sind die Erstdrucke oder die wirksam gewordenen Drucke der autorisierten bzw. der Werkausgabe von 1977. Orthographie und Interpunktion der Textgrundlage werden, unter Bewahrung charakteristischer Schreibeigenheiten Bölls, den zum Zeitpunkt der Entstehung bzw. Veröffentlichung geltenden Regeln angeglichen.

Alle Bände enthalten einen editorischen Anhang mit Informationen zur Textentstehung und - falls erforderlich - zum zeitgeschichtlichen und biographischen Hintergrund. Bei den größeren Erzähltexten wird deren zeitgenössische Aufnahme durch eine Auswahl repräsentativer Rezensionen dokumentiert. Bei der Darstellung der Textentstehung bezieht die Ausgabe vorangehende Arbeitsstufen ein. Sie bietet im Rahmen der Textgeschichte und stellenbezogener Erläuterungen charakteristische Umformungen der dem Druck vorausgehenden Niederschriften. Darüber hinaus enthält der Apparat Hinweise zur Textkonstitution, eine Verzeichnung der Überlieferungsträger sowie des Erstdrucks und der wirksam gewordenen weiteren Drucke. Der Stellenkommentar vermittelt zeitgeschichtliche Verweise in Form von Sacherläuterungen. Den Einzelbänden ist jeweils ein Register mit allgemeinen Angaben zu den genannten Personen sowie ein Register aller im Band erwähnten Texte Bölls beigegeben. Zum Abschluss der Edition erscheint ein kommentiertes Gesamtregister.

Es versteht sich, dass ein solches Projekt ein komplexes Zusammenspiel der unterschiedlichsten Personen und Institutionen, Kompetenzen und Kooperationsformen, Entscheidungsebenen und Vertragsregelungen erfordert. Beteiligt sind zum einen die Rechteinhaber, d.h. die Erbengemeinschaft Heinrich Böll, vertreten durch René Böll, zum anderen der Verlag, schließlich der Kreis der Herausgeber: érpéd Bernath (Universität Szeged/Ungarn), Hans Joachim Bernhard (Universität Rostock), Robert C. Conard (Universität Dayton, Ohio/USA), Frank J. Finlay (Universität Leeds/Großbritannien), James H. Reid (Universität Nottingham/Großbritannien), Ralf Schnell (Universität Siegen), Jochen Schubert (Heinrich-Böll-Archiv Köln). Für die Förderung des Projekts konnten gewonnen werden: die StadtBibliothek Köln, das Heinrich-Böll-Archiv, die Heinrich Böll Stiftung Berlin, die Universität Siegen, der Beauftragte der Bundesregierung für Angelegenheiten der Kultur und Medien, das Ministerium für Schule, Wissenschaft und Forschung des Landes Nordrhein-Westfalen, die Stiftung Kunst und Kultur des Landes Nordrhein-Westfalen und die Stadtsparkasse Köln.

Um dieses Projekt editionstechnologisch zu sichern, war es notwendig, eine Editionssoftware zu entwickeln, die den spezifischen Anforderungen dieser Ausgabe gerecht wird. Im folgenden wird das Profil dieser Editionssoftware im einzelnen dargestellt.

Ziele

Angesichts der langen Laufzeit der KA von 9 Jahren ist es das grundlegende Ziel, eine durchgängige Plattform für die EDV-gestützte Arbeit zu schaffen. Ein zentraler Aspekt dabei ist das Format der elektronischen Dokumente. Gewünscht ist, dass von Anfang an über die Datenhaltung und Bearbeitung bis hin zum Satz und dem endgültigen Druck auf Grundlage der gleichen Daten gearbeitet werden kann. Auch sollen Informationen, die in späteren Verarbeitungsschritten gewonnen werden, in die Daten zurückfließen können. Eine Anforderung an das Dateiformat ist dabei, dass dieses auch mit zukünftiger Software problemlos verarbeitbar ist. Deshalb scheiden proprietäre Formate, wie zum Beispiel Winword, aus. Weiterhin soll das Format auf verschiedenen Rechnerplattformen mit unterschiedlicher Software gleichermaßen gut verarbeitet werden können, ohne dass Umkonvertierungen notwendig sind. Erweiterungen sollen im Laufe des Projektes problemlos möglich sein, ohne dass alte Dokumente angepasst werden müssen. Gewünscht ist auch die Möglichkeit, sowohl für den Druck als auch für eventuelle elektronische Publikationen den gleichen Datenbestand zu nutzen.

Für Bearbeiter sollen normale Textverarbeitungskenntnisse ausreichen, um mit dem System arbeiten zu können. Insbesondere sollen keine Kenntnisse über die technische Realisierung für den Einsatz der Software notwendig sein. Es soll durch die Software sichergestellt werden, dass nicht mehrere Bearbeiter einen Text zur gleichen Zeit bearbeiteten können, was wahrscheinlich zu Inkonsistenzen der Daten führen würde. Alle Bearbeiter sollen zwar alle Texte lesen, allerdings nur die ihnen zugeteilten Texte bearbeiten können. Die Texte sollen den Bearbeitern zentral zu Verfügung gestellt werden, wobei Zwischenstände oder abgeschlossene Texte für alle Bearbeiter zur Verfügung stehen müssen. Gleichzeitig soll damit eine Sicherung der bisherigen Arbeit erfolgen.

Der Satz soll vollautomatisch laufen. Dadurch gewonnene zusätzliche Informationen, wie z.B. Seitenumbrüche und Trennungen, sollen in die Dokumente wieder einfließen, um eine elektronische Zitierfähigkeit der Texte zu erhalten.

Grundlagen

Aufgrund der aus der Zielsetzung resultierenden Anforderungen wird als Grundlage das Datenformat XML (Extended Markup Language) verwendet. Die Struktur der Dokumente wird dabei durch eine spezielle DTD-Datei (Document Type Definition) genau festgelegt. Jeder Text wird durch eine Datei dargestellt. Damit ist ein einzelner Text die kleinstmögliche Bearbeitungseinheit. Mit Hilfe der DTD kann jede XML-fähige Software den Aufbau einer Datei auf Korrektheit überprüfen und damit verhindern, dass auf fehlerhaften Dokumenten gearbeitet wird. Insbesondere kann die Software feststellen, welche Strukturierungselemente innerhalb eines XML-Dokumente erlaubt sind. Dies ist besonders für den XML-Editor von Bedeutung, damit er weiß, welche Möglichkeiten der Bearbeiter zu Verfügung hat. Zu Beginn des Projektes wurde ein Großteil der Texte direkt in diesem Format erfasst bzw. in dieses Format konvertiert. Einzelne noch nicht elektronisch vorliegende Texte, vor allem handschriftliche, werden von den Bearbeitern selbstständig nacherfasst.

Die für die Texterfassung grundlegende DTD wurde von der Firma OKA anhand des Leitfadens "Einem Autor folgen" [Heinrich Böll Stiftung e.V. Berlin in Zusammenarbeit mit der Erbengemeinschaft Heinrich Böll, der StadtBibliothek Köln und dem Heinrich-Böll-Archiv (Hrsg.), Köln: Verlag Kiepenheuer und Witsch. 1998] entworfen. Die DTD folgt dabei nicht notwendig dem typographischen Aufbau eines Textes, sondern gliedert und ordnet die Textelemente gemäß ihrer Semantik unter hierarchischen Gesichtspunkten. Mit Beginn der editorischen Arbeiten an den Texten wurde die DTD in einem kontinuierlichen Prozess den Gegebenheiten angepasst. Dabei war es bisher nicht notwendig, bereits erfasste Dokumente nachzubearbeiten.

Im Gesamtbestand kann ein Dokument über die in ihm enthaltene ID eindeutig identifiziert werden. Alle relevanten editorischen Textelemente erhalten eine für das Dokument eindeutige ID. Somit sind diese Elemente durch die Kombination von Dokument- und Element-ID im Gesamtbestand eindeutig gekennzeichnet. Dies wird vor allem für dokumentinterne und dokumentübergreifende Verweise verwendet. Während der editorischen Arbeit an den Texten können die Bearbeiter mit Hilfe dieser Verweise Textstellen direkt referenzieren. Im Satz werden die Verweise dann durch die konkreten Seiten- und Zeilenzahlen ersetzt. Pro Band existiert neben den zugehörigen Texten jeweils eine zusätzliche Datei für Bibliographie und Register. Die Bibliographie wird wie ein normales Dokument bearbeitet, während dem Register eine eigene DTD zugrunde liegt. Aufgrund der komplexen Struktur des Registers kann dieses nur über spezielle Erweiterungen bearbeitet werden. Um den Entwicklungsaufwand zu reduzieren und auf die spezifischen Anforderungen zu konzentrieren, wurde auf flexibel erweiterbare Standardsoftware zurückgegriffen.

XML-Editor

Als XML-Editor kommt XMetaL der Firma SoftQuad zum Einsatz. Da Standardtextverarbeitungen XML nur begrenzt und meist nur zu eigenen Zwecken einsetzen, sind diese für das Projekt ungeeignet. Die Wahl unter den XML-Editoren fiel auf XMetaL wegen der sehr guten Erweiterbarkeit dieses Produktes. Zurzeit kommt noch die Version 2.1 zum Einsatz. Das nächste Softwarepaket, das an die Bearbeiter voraussichtlich im Oktober 2002 ausgeliefert wird, basiert auf XMetaL 3.0. Interessant ist der Umstieg wegen des durchgängigen Unicode Supports auf allen Windows-Plattformen und der Möglichkeit, nichtlateinische Zeichensätze direkt darzustellen. Zudem wurde im Vergleich zur Vorgängerversion die Erweiterbarkeit des Editors nochmals verbessert.

Erweiterungen des Editors

In der Anfangsphase des Projektes wurden spezielle Funktionen zur Unterstützung der editorischen Arbeit mittels der integrierten Skriptsprachen realisiert. Rasch stellte sich heraus, dass für die benötigten Erweiterungen dieser Ansatz ungeeignet war. Zum einen ist die Verarbeitungsgeschwindigkeit der Skripte für aufwendige Operationen zu langsam. Zum anderen werden die Grenzen der Skriptsprachen schnell erreicht, wenn es darum geht, komplexere Algorithmen zu implementieren und aufwendige Benutzerschnittstellen zu gestalten. Gerade die softwaretechnische Wartbarkeit der Erweiterungen stellte ab einer gewissen Komplexität ein Problem dar. Sowohl die nur rudimentäre Unterstützung durch den Editor bei der Bearbeitung der Skripte als auch die Fragmentierung der Erweiterungen in mehrere kleine prozedurale Skripte stellt keine zeitgemäße Programmentwicklung mehr dar. Da der Editor aber auch die Möglichkeit bietet, Erweiterungen in Form von ActiveX Komponenten zu integrieren, wurde dieser Weg gewählt. Die Entwicklung dieser ActiveX-Komponenten erfolgt in der objektorientierten Programmiersprache C++. Als Programmierumgebung kommt dabei Microsoft Visual Studio Version 6 zum Einsatz. Die Kommunikation zwischen der Erweiterung und dem Editor erfolgt über die von ihm bereitgestellte COM-Schnittstelle. Somit können die Erweiterungen sowohl auf die mächtigen Funktionen des Editors zum Bearbeiten der XML-Dokumente zurückgreifen als auch alle Möglichkeiten einer Windows Anwendung ausnutzen.

Bisher implementierte Unterstützungen für die Bearbeiter

Für die Bearbeitung der Dokumente bilden die Erweiterungen die bekannten Mittel einer textkritischen Edition auf die Arbeit mit XMetaL ab. Dabei wurde mit der Visualisierung nicht versucht, die Typographie des Druckbildes nachzubilden, sondern eine arbeitsorientierte Sichtweise auf das Dokument zu bieten. Im Folgenden wird die Umsetzung der Arbeitsmethoden näher beschrieben.

Stellenkommentare und Varianten

Um einen Stellenkommentar zu erzeugen, muss die Textstelle, auf welche sich der Kommentar bezieht, markiert werden. Für die Eingabe des Kommentartextes erscheint im Text ein eigener Eingabebereich. Der kommentierte Text wird durch eine andere Textfarbe gekennzeichnet. Die Textbox des Kommentars hebt sich durch ihre Hintergrundfarbe von dem eigentlichen Text ab (Abbildung 1):

Soll ein längerer Abschnitt kommentiert werden, so wird das Ende des Abschnittes markiert und der Kommentar erstellt. Anschließend wählt der Bearbeiter den Anfang des zu kommentierenden Bereiches und markiert aus dem erscheinenden Dialog die entsprechende Endpassage (Abbildung 2):

Dabei werden nur die in Frage kommenden Passagen aufgeführt, also zum Beispiel keine kommentierten Stellen, die vor dem markierten Bereich liegen.

Varianten arbeiten analog wie Stellenkommentare. Die Unterscheidung zwischen Stellenkommentaren und Varianten ist durch eine unterschiedliche Farbgebung gekennzeichnet. Existiert zu einer Textstelle sowohl ein Kommentar als auch eine Variante, so werden beide Textboxen untereinander im Text dargestellt.

Bezüge und Verweise

Da zum Zeitpunkt der editorischen Bearbeitung der Texte die Seitenzahl und Zeilennummer einer Textstelle noch nicht feststeht, muss der Bearbeiter im Text Bezüge setzen, um sich auf eine Textstelle beziehen zu können. Beim Anlegen eines Bezuges vergibt der Bearbeiter eine Kurzbeschreibung, während die Erweiterung intern den Bezug automatisch mit einer eindeutigen ID versieht.

Möchte der Bearbeiter sich zum Beispiel in einem Kommentar auf die Textstelle beziehen, so fügt er einen Verweis ein. Die Erweiterung bietet ihm dazu eine Liste mit den Kurzbeschreibungen der im Dokument existierenden Bezüge an. Aus dieser Liste wählt er den gewünschten Bezug, und die Erweiterung erstellt einen Verweis, der die interne ID des Bezuges verwendet.

Für Bezüge, die sich über einen Bereich erstrecken, legt man zuerst am Beginn des Bereiches einen Bezug an. Danach erzeugt man am Ende des Bereiches einen Endbezug, welcher aus einer Liste der in Frage kommenden Startbezügen ausgewählt wird.

Die Erweiterungen bieten dem Bearbeiter die Möglichkeit, von einem Bezug zu den zugehörigen Verweisen zu springen bzw. von den Verweisen zum Bezug.

Fußnoten

Möchte der Bearbeiter eine Fußnote anlegen, so markiert er einfach die gewünschte Stelle und fügt mittels der Erweiterung die Fußnote ein. Es erscheint dann ein Textfeld für die Eingabe des Fußnotentextes (Abbildung 3):

Bei den Fußnoten unterscheidet die Software zwischen dem Text, welcher von Böll stammt, und dem kommentierten Bereich. Im Bölltext muss die Nummerierung der Fußnote manuell geschehen, da diese nicht immer einem durchgängigen Schema folgt. Im Kommentarteil fällt die Eingabemöglichkeit für die Zählung weg, weil hier die Software eine automatische Nummerierung der Fußnoten vornehmen kann.

Bibliographie

Die Bibliographie wird pro Band in einem eigenen Dokument gespeichert. Einträge in diesem Dokument erstellt der Bearbeiter über die Erweiterung der Software mittels einer speziellen Eingabemaske (Abbildung 4):

In dieser Maske kann der Bearbeiter die Autoren oder Herausgeber angeben. Dabei kann natürlich die Reihenfolge der Personen verändert werden. Alle Daten, abgesehen vom Titel, Publikationstyp und Art des Eintrags, sind optional und müssen nicht unbedingt angegeben werden. Die Bibliographie ist in zwei Bereiche eingeteilt. Zum einen gibt es die "zitierte Literatur", welche alle Publikationen beinhaltet, aus denen zitiert wurde. Außerdem gibt es den Bereich "weitere Publikationen", in den alle anderen Publikationen fallen. Beim Anlegen eines neuen Bibliographieeintrages muss einer der beiden Publikationstypen angegeben werden. Die "Art des Eintrags" gibt an, um was für eine Publikation es sich handelt. Dabei sind die Arten "Aufsatz", "Buch", "Sammelwerk", "Zeitschrift" und "Zeitung" möglich. Je nach Art des Eintrags ändern sich auch die möglichen Eingabefelder.

Die Darstellung der Einträge im Dokument entspricht weitestgehend der Typographie des Druckbildes. Zum Ändern oder Löschen von Einträgen kann sich der Bearbeiter über die Erweiterung eine Liste aller Einträge anzeigen lassen, womit er den Eintrag entweder löschen oder wieder in der Eingabemaske öffnen kann.

Register

Die Bearbeitung des Registers ist in zwei Mechanismen aufgeteilt. Die Registervorschläge erlauben es den Bearbeitern, die nicht Registerbearbeiter sind, Textstellen zu markieren und mit einer Beschreibung zu versehen. Diese Vorschläge werden in dem jeweiligen Dokument gespeichert, ihre Bearbeitung kann parallel zur Arbeit an dem eigentlichen Register erfolgen. Jede dieser vorgeschlagen Textstellen erhält - wie ein Bezug - eine eindeutige ID, so dass man sich später auf diese Stelle im Register beziehen kann.

Das eigentliche Register wird in einem zusätzlichen XML-Dokument gespeichert, das der Registerbearbeiter erst mit Hilfe der Erweiterung "einchecken" muss. Dies bedeutet, dass er zunächst die Registerdatei vom Server laden muss. Danach "checkt" er das Dokument bei der Erweiterung ein. Erst dann kann mit dem Register gearbeitet werden. Nach Abschluss der Bearbeitung muss das Register "ausgecheckt" und auf den Server geladen werden. Dieses Verfahren stellt sicher, dass es immer nur eine Person gibt, welche am eigentlichen Register arbeitet.

Das Registerdokument selbst bekommt der Bearbeiter nicht zu sehen, sondern er arbeitet immer nur indirekt über die Erweiterung darauf. Ist für einen Band ein Registerdokument vorhanden, so wird jedes andere Dokument, welches zu diesem Band gehört, beim Öffnen nach Registervorschlägen durchsucht. Dabei wird ein Abgleich zwischen dem Register und dem Dokument gemacht. Sollte es Stellen geben, welche Registervorschläge haben und bisher noch nicht dem eigentlich Register bekannt sind, so werden diese Stellen unter dem Eintrag "Unzugeordnete Einträge" aufgelistet.

Der Registerbearbeiter kann nun im Register neue Einträge anlegen, zum Beispiel für eine Person. Um eine vorgeschlagene Textstelle einem Eintrag zuzuordnen, wählt der Bearbeiter einfach den Eintrag der unzugeordneten Textstelle aus und kann dann den Person-, Ort- oder Titeleintrag wählen, dem die Textstelle zugeordnet werden soll (Abbildung 5):

Textkritische Zeichen

Der Benutzer hat weiterhin die Möglichkeit, textkritische Zeichen einzufügen. Textkritische Zeichen sind solche, welche Wörter oder Bereiche markieren, die im originalen Dokument vorhanden bzw. nicht vorhanden waren, zum Beispiel "gestrichenes Wort", "hinzugefügte Passage" usw. Die Software achtet dabei darauf, dass diese Zeichen nicht dort angewendet werden können, wo sie nicht erlaubt sind.

Suchen

Um dem Benutzer weitere Möglichkeiten bei der Suche nach Textstellen in den Dokumenten zu geben, wurde die standardmäßig vorhandene Suchfunktion des Editors erweitert (Abbildung 6):

Dabei soll vor allem die Möglichkeit erwähnt werden, in allen zurzeit geöffneten Dokumenten zu suchen (XMetaL bietet, wie viele Editoren, die Funktionalität, mehrere Dokumente gleichzeitig offen zu haben und zwischen diesen hin und her zu schalten).

Des Weiteren wird eine Liste der bereits eingegebenen Suchwörter mitgeführt. Dies erspart dem Anwender die erneute Eingabe und somit Zeit und Schreibarbeit.

Aufzählungen

Wie bereits erwähnt, ist XMetaL keine echte Textverarbeitung, sondern arbeitet intern mit XML. Somit entfallen auch die ansonsten bekannten Funktionen, eine Aufzählung - nummeriert und unnummeriert - zu erzeugen. Die Erweiterung versucht, soweit dies möglich ist, einen Ersatz dafür zu bieten. Der Anwender muss zuerst mittels der entsprechenden Funktion eine Aufzählung erzeugen. Danach muss für jeden weiteren Punkt zuerst die Methode "weiterer Aufzählungspunkt" aufgerufen werden. Aufzählungen sind nur außerhalb des originalen Textes erlaubt, also entweder in Stellenkommentaren/Varianten oder im editorischen Anhang.

Export

Um dem Benutzer die Möglichkeit einer einfachen Kontrolle der Arbeit bzw. zum besseren Datenaustausch zu geben, wurden spezielle Exportfunktionen programmiert. Er hat somit die Möglichkeit, direkt alle von ihm bereits erstellten Stellenkommentare/Varianten in einer normalen Textdatei zu speichern. Dabei werden die entsprechenden Stellen sowie der Kommentar gespeichert. Zur unmittelbaren Verarbeitung ist es zudem möglich, den gleichen Inhalt direkt in die Zwischenablage zu kopieren.

Die im XML-Editor vorhandene Kopier- und Einfügoperation vom ausgewählten Bereich kopiert außer dem eigentlichen Text auch die Markup-Informationen. Dies ist zwar nützlich, solange man sich in XMetal befindet, bereitet dem Anwender jedoch erhebliche Probleme, wenn dieser eine markierte Passage in anderen Programmen benutzen möchte. Daher bietet die Erweiterung auch die Möglichkeiten des Exports eines gewählten Bereiches als reiner Text. Dieser kann entweder als Datei gespeichert oder wieder in die Zwischenablage kopiert werden.

Anhang erzeugen

Ein wesentlicher Teil der editorischen Arbeit erfolgt im so genannten "editorischen Anhang". Dieser besteht aus einer Vielzahl von Untergliederungen, welche ihrerseits wieder Untergliederungen enthalten. Zudem ist die Reihenfolge der einzelnen Abschnitte wichtig. Es kann jedoch vorher nicht abgesehen werden, welche Teile des Anhangs gebraucht werden. Daher muss der Benutzer dies selber erzeugen können.

Die Erweiterung unterstützt den Anwender mit Hilfe des in Abbildung 7 gezeigten Dialogs:

Vor dem Aufruf überprüft die Software, welche Anhangteile bereits im Dokument vorhanden sind und welche noch fehlen. Bereits vorhandene Teile werden in der Übersicht deaktiviert, da es nicht möglich ist, einen bereits hinzugefügten Anhang über diesen Weg wieder zu löschen. Die Gefahr einer unbeabsichtigten Löschung ist zu groß. Die noch nicht eingefügten Gliederungen können einfach ausgewählt werden. Die Erweiterung achtet dabei darauf, dass vorhandene Abhängigkeiten auch eingehalten werden. Somit ist es zum Beispiel nicht möglich, den Anhang "Drucke" ohne die Anhänge "Überlieferung" und "Textgeschichte" zu erzeugen.

Eintrag löschen

Die Funktion "Eintrag löschen" wäre nicht unbedingt notwendig, wenn es sich nicht um einen XML-Editor handelte. Dieser arbeitet jedoch stets auf den eigentlichen XML-Daten und somit auch auf deren Strukturierung. So hat das Einfügen eines Stellenkommentars beispielsweise zur Folge, dass direkt mehr als nur Strukturierungselemente einfügt werden. Wenn sich jedoch im späteren Arbeiten am Text herausstellen sollte, dass dort kein Kommentar erwünscht ist, wäre eine Löschung der entsprechenden Passage sehr aufwendig. Daher wurde auch die Funktion zum Löschen von Einträgen entwickelt, womit sich die mittels der Software erstellten Änderungen auch wieder löschen lassen. Dem Benutzer wird vor der Löschung nochmals die entsprechende Passage im Dialog angezeigt, wo er dann entscheiden kann, ob diese wirklich gelöscht werden soll.

Interne Prüfungen

Da die Dokumente über den Weg des Internets auf die Platte des Benutzers kommen, gibt es vielfältige Möglichkeiten zur Entstehung von Fehlern. Es können beim Herunterladen Übertragungsfehler auftreten, oder die Verbindung zum Server kann unterbrochen werden. Auch das unbeabsichtigte Öffnen und Verändern der Datei mittels eines anderen Programms muss bedacht werden. Das Resultat wäre auf jeden Fall eine defekte Datei und somit ein nicht mehr korrektes Dokument. Ein Teil dieser Fehler kann mit Hilfe der DTD erkannt werden. Es gibt jedoch auch Fehler, welche dieser Überprüfung standhalten. Da die Dokumente jedoch wichtige Teile des Projektes sind, kann dies nicht zugelassen werden.

Vor jedem Öffnen eines Dokumentes in XMetaL überprüft die Erweiterung, ob dieses sich noch in einem einwandfreien Zustand befindet (Abbildung 8):

Dabei wird zum einen geprüft, ob die Struktur noch nach der vorhandenen DTD gültig ist. Des Weiteren wird geprüft, ob die vergebenen ID korrekt und/oder doppelt verwendet wurden (beispielsweise durch einen möglich Absturz von XMetaL). Weitere Prüfungen stellen sicher, dass mit dem Dokument gearbeitet werden kann. Falls sich herausstellen sollte, dass etwas mit dem Dokument nicht stimmt, wird der Benutzer darüber informiert und erhält die Anweisung, sich mit dem technischen Support in Verbindung zu setzen. Das weitere Arbeiten an diesem Text ist dann nicht möglich.

Satzgenerator

Damit die Bearbeiter neben der funktional orientierten Sicht auf die Dokumente auch eine Vorschau auf den endgültigen Satz haben, wird von der Firma pagina ein auf TUSTEP basierender Satzgenerator zur Verfügung gestellt. Die Software TUSTEP wird seit über 25 Jahren an der Universität Tübingen gepflegt und besteht aus mehreren Komponenten zur Bearbeitung von Textdateien.

Der Satzgenerator erzeugt mittels TUSTEP aus einem XML-Dokument eine fertig gesetzte PostScriptdatei, die weitestgehend dem fertigen Satz entspricht. Verweise auf Bezüge werden vom Satzgenerator in konkrete Seiten und Zeilennummern umgewandelt und erscheinen als solche im gesetzten Text.

Die Bearbeiter können den Satzgenerator direkt aus XMetaL über die Erweiterung starten. Vor dem eigentlichen Start des Satzgenerators erscheint der in Abbildung 9 gezeigte Dialog:

Hier können vorher noch verschiedene Einstellungen vorgenommen werden, welche hauptsächlich das Erscheinungsbild des Satzes bestimmen. Unter anderen kann das Ausgabeformat bestimmt werden. Der Anwender hat die Wahl zwischen "eine Seite pro DIN A4", "eine Seite pro DIN A4 gezogen" und "zwei Seiten pro DIN A4". Zudem existiert die nützliche Funktion, Bezüge mit einem Stern zu kennzeichnen, welche sonst nicht im Satz erscheinen würde.

Nach dem Durchlauf des Satzgenerators wird anschließend die erstellte PostScriptdatei mittels der Software Ghostview angezeigt. In der nächsten Version der Software wird mittels des Adobe Acrobat Writers aus der PostScriptdatei zunächst eine PDF-Datei erzeugt, die sich dann mit Hilfe des kostenlosen Acrobat Readers auf vielen verschiedenen Rechnerplattformen anzeigen läst.

Der Internetserver

Die zentrale Verwaltung der Dokumente erfolgt über einen speziellen Internetserver (Abbildung 10). Auf ihm sind alle Texte in einer Datenbank gespeichert und werden regelmäßig gesichert. Die Bearbeiter können mittels eines normalen Internet-Browsers auf den Server zugreifen.

Der Server besteht aus der Webserversoftware Tomcat, welche für die dynamische Erzeugung der Webseiten zum Einsatz kommt. Weiterhin wird die Datenbank PostgreSQL für die Datenhaltung eingesetzt. Die Verbindung zwischen diesen beiden Softwares geschieht mittels Java-Servlets, die die Programmfunktionalität des Servers enthalten.

Jeder Benutzer des Servers muss sich zuerst mittels Benutzernamen und Passwort identifizieren und erhält dann anhand der ihm zugeteilten Rechte Zugang zu dem Server. Die Dokumente sind auf dem Server nach Bänden geordnet, und einem Bearbeiter können Lese- und Schreibrechte auf die einzeln Bände erteilt werden.

Bearbeiter laden die Texte vom Server herunter, um diese auf ihrem Rechner anschließend offline zu bearbeiten. Danach laden die Bearbeiter ihre Dokumente wieder auf den Server. Ein Text kann nur von einem Bearbeiter zur gleichen Zeit ausgeliehen sein (Abbildung 11):

Damit wird verhindert, dass durch gleichzeitiges Bearbeiten desselben Textes Inkonsistenzen entstehen. Benötigt ein Bearbeiter einen Text nur zum Nachschlagen, so kann er jederzeit einen Text nur zum Lesen herunterladen. Dieser Text kann dann allerdings weder bearbeitet noch erneut auf den Server hochgeladen werden.

Der Server erstellt jedes Mal, wenn ein Bearbeiter einen Text wieder hochlädt, intern eine neue Version des Dokumentes. Nach außen ist immer nur die aktuelle Version sichtbar, es sind aber alle Versionen eines Dokumentes auf dem Server vorhanden. Löscht ein Bearbeiter z.B. einen Textteil und merkt dies erst nach dem Hochladen auf den Server, so kann man problemlos auf den vorherigen Stand des Dokumentes zurückgehen.

Wird ein Dokument wieder auf den Server hochgeladen, so wird nur die Version des Dokuments akzeptiert, die heruntergeladen wurde. Damit wird verhindert, dass ein Bearbeiter aus Versehen eine ältere Version eines Dokuments auf den Server lädt. Weiterhin führt der Server mehrere Überprüfungen der Dokumentstruktur durch, um zu verhindern, dass fehlerhafte Dokumente auf den Server geladen werden.

In der nächsten Version des Servers wird es den Bearbeitern möglich sein, online verschiedene Recherchen in dem Datenbestand durchzuführen. Zum einen wird eine Volltextsuche über alle Dokumente zu Verfügung stehen. Bei den Suchergebnissen wird zuerst nur ein Textabschnitt aus dem Dokument angezeigt, und auf Wunsch kann der Bearbeiter sich dann auch das ganze Dokument anzeigen lassen. Weiterhin stehen Recherchemöglichkeiten zum Auffinden von Kommentaren und zur Suche im Register zur Verfügung.

Installations-CD und Support

Da die beteiligten Herausgeber und Bearbeiter in verschiedenen Ländern beheimatet sind, ist die möglichst unkomplizierte Installation der benötigten Software von besonderem Gewicht. Jeder Bearbeiter soll in der Lage sein, möglichst leicht die Software auf seinem Rechner installieren zu können. Das Problem hierbei ist, dass mehrere verschiedene Softwareprodukte zum Einsatz kommen, die auch je nach eingesetzter Windowsversion unterschiedliche Komponenten benötigten.

Aus diesem Grund wurde eine spezielle Installations-CD hergestellt, die alle Komponenten enthält. Installiert werden die benötigten Komponenten automatisch über ein spezielles Setupprogramm, das die Installationsprogramme der anderen Softwareprodukte ersetzt (Abbildung 12):

Der Bearbeiter kann in diesem Setupprogramm das Ziellaufwerk für die Software frei wählen, worauf automatisch die für sein System benötigten Komponenten installiert werden. Nach Abschluss der Installation stehen die Programme für den Bearbeiter fertig konfiguriert bereit.

Technische Unterstützung erfolgt über mehrere Mailinglisten, die speziell für dieses Projekt angelegt wurden, sowie über direkten Kontakt zu der Böll-Arbeitsstelle in Siegen.

Arbeitsablauf

Die Erstellung eines kommentierten Bandes beginnt damit, dass sich der oder die Bearbeiter des Bandes das Softwarepaket, bestehend aus XMetaL, TUSTEP und dem Satzgenerator, mittels der Installations-CD auf ihrem Rechner installieren. Danach können die Bearbeiter sich die benötigten Dokumente vom Server herunterladen. In regelmäßigen Abständen laden die Bearbeiter die Texte wieder auf den Server und leihen sich diese gegebenenfalls wieder aus, damit zum einem den anderen Bearbeitern schon eine Zwischenversion der Texte zur Verfügung steht und zum anderen eine zentrale Datensicherung ermöglicht wird. Sollte ein Text noch nicht erfasst sein, so steht auf dem Server ein leeres Dokument bereit, das sich der Erfasser ausleiht, um den Text dann nachzuerfassen.

Nach Abschluss der Arbeit stellen die Bearbeiter wieder alle Dokumente auf den Server, und die Firma pagina leiht sich die Dokumente für den ersten Probesatz aus. So wird sichergestellt, dass keine weiteren Arbeiten an den Dokumenten stattfinden, während diese sich im Satz befinden.

Stellt sich nach dem Korrekturlesen heraus, dass an Dokumenten noch Korrekturen notwendig sind, so werden diese Texte von der Firma pagina wieder auf den Server gestellt, damit der Bearbeiter sich das Dokument vom Server holen kann. Sind die Korrekturen ausgeführt, werden die Dokumente wieder auf den Server geladen, und die Firma pagina leiht sich diese wieder aus. Dieser Vorgang kann sich wiederholen, bis der endgültige Satz in Druck geht.

Auch schon fertig bearbeitete Dokumente bleiben auf dem Server verfügbar, um den Bearbeitern für Recherchen und als Grundlage für dokumentübergreifende Verweise zu dienen, die von einem Dokument eines noch zu bearbeitenden Bandes auf Textstellen in einem bereits fertig gestellten Band verweisen.

Das Projekt der "Kölner Ausgabe der Werke Heinrich Bölls" steht im WWW unter:
http://www.heinrich-boell.de/stiftung/kaus.htm


aus: Protokoll des 85. Kolloquiums über die Anwendung der EDV in den Geisteswissenschaften am 29. Juni 2002